Ende? Anfang.

Enden. Niemand mag sie, alle lieben sie. Zum Beginn unseres Themenspezial “Ende?” haben wir uns einmal Gedanken gemacht, was Enden eigentlich so besonders macht. Eine (gemeinsame) Gedankensammlung zum Anfang vom Ende…

Thilo und ich haben diesen Beitrag zusammen verfasst – weil WordPress aber netterweise keine Mehrfachnennung erlaubt (oder wir einfach zu doof dafür sind), mussten wir auf simple Formatierungen zurückgreifen: Thilos Texte sind kursiv und meine normal dargestellt. 

Alles nimmt einmal ein Ende. Das Jahr hat 365 Tage, maximal ein Tag lässt sich gelegentlich noch rausschlagen – dann ist aber endgültig Schluss. Serien finden (zwangsweise) irgendwann ein Ende, auch wenn manche Produzenten das gern bis ins unendliche auszögern wollen, um auch noch den letzten Cent aus einer sterbenden Geschichte zu pressen. Wenn dann aber die Quoten in den Keller fallen, hat auch die längste Serie einmal ausgedient. Dann muss gezwungenermaßen ein Ende her. Und so wird mit dem letzten Budget noch fix ein fulminantes Finale gezaubert, das dann zum Schluss auch noch die übrig gebliebene Fangemeinde enttäuscht. Mit so einem Ende hätte ja keiner rechnen können – oder besser gesagt: wollen.

Enden scheinen in Geschichten einfach wie ungeliebte Kinder zu sein. Oft vergessen, oft vernachlässigt – vielleicht sogar verdrängt – obwohl wir alle wissen, dass zu jedem Anfang immer auch ein Ende gehört. Nur, dass das ersteres eben nicht so negativ behaftet ist. Anfänge bedeuten immer Neues, Enden bringen, nun ja, Dinge zu Ende. Danach geschieht nichts mehr, oder?


Das Ende hat Macht!

Dabei ist gerade das Ende so wichtig. Ein guter Anfang soll neugierig machen auf die Geschichte, doch das Ende bestimmt, wie gut die Geschichte wirklich ist: Ein offensichtliches oder überkonstruiertes Ende kann ein ganzes Buch ruinieren, ein wirklich überraschendes die Belohnung einer anstrengende Lektüre sein. Das Ende prägt also das ganze Werk.

Deswegen ist das richtige Ende fast schon eine Wissenschaft für sich, die viel mehr Optionen bietet: Lösung oder Katastrophe. Bei Shakespeare ist es oft nicht so klar getrennt, was nun Komödie oder Tragödie sein soll, “Romeo und Julia” ist echt albern und romantisch, und „Der Sturm“ hätte auch schnell zu einer Bluthochzeit geraten können. Das Ende zeigt, was für Stück es ist: Nach der Tragödie sind alle tot, in der Komödie wird stattdessen geheiratet.

Das Ende ist überall

Doch was heißt schon Ende im Zeitalter der Non-Linearität, in dem wir uns oft gar nicht sicher sind, wann das Ende überhaupt angefangen hat. Oder die Quantenmechanik das Nacheinander anzweifelt und meint, dass sowieso alles gleichzeitig passiert (oder meint das nur der Doktor?) Anders gesagt: Das Ende einer Geschichte ist nicht unbedingt der Schluss einer Geschichte. Schon die „Illias“ wird mit Rückblenden und Sprüngen erzählt und auch in „How met your mother“ (eine dieser Serien, die viel zu lange lief) erzählt ja alles rückblickend. Anfang und Ende sind zuweilen sogar das gleiche. Oder das Ende von etwas, vielleicht sogar von allem, kann der Anfang einer Geschichte sein.

Von da ist es ja nur noch ein kurzer Schritt zu kreisenden Büchern, wie Danielewskis “Only Revolution”, in dem es auch um die ständige Wiederholung geht. Dementsprechend gibt es gleich zwei Enden. Aber eigentlich ist das ja nichts! Es gibt ein Bücher mit gleich 100 Enden, bei sich jeder sein liebstes rausuchen kann. Wer sich da nicht entscheiden kann, kann auf das Buch zurückgreifen, das einfach gar kein Ende hat, weil es sich wie die Schlange Ouroboros in den Schwanz beißt. Ende gibt es doch sowieso nur in erfundenen Geschichten.

 


Ein Ende ist nicht genug

Enden… so ein leidiges Thema. Jedes Buch, jedes Spiel, alles hat ein Ende, auch wenn es nur selten wirklich gut ist. Einem ausgefeilten Spannungsbogen wird das Ende meist nie gerecht, bei langweiligen Geschichten interessiert sich sowieso keiner dafür. Möglichst innovativ möchten sie auch noch sein. Am Ende ist dann aber doch schon einmal alles da gewesen.

Videospiele glauben dagegen in Punkto “Ende” den Einfallsreichtum für sich gepachtet zu haben. Interaktive Geschichten, auf die der Spieler ganz viel Einfluss nehmen kann, in denen er das Geschehen selbst bestimmen kann. Über jedes Ende entscheiden kann. Videospielentwickler David Cage, zum Beispiel, hält sich dahingegend für ein besonders kluges Köpfchen. Ein Meister der multiplen Enden, der mit seinen interaktiven Filmchen den Spieler immer wieder zum Neustart anregen will. Was aber in “Heavy Rain” noch ganz gut funktionieren mag, wird spätestens in “Beyond:Two Souls” zur puren Katastrophe, wenn Entscheidungen im weiteren Handlungsverlauf einfach schlichtweg ignoriert werden.

Am Ende bleiben von der berühmten Entscheidungsfreiheit dann eben doch nur eins, zwei alternative Enden, die dann teilweise erst nach dem zweiten Spieldurchlauf erreicht werden können: “Spiele dieses Spiel noch einmal und du wirst ein völlig neues Spielerlebnis haben” – heißt eigentlich: “Spiele dieses Spiel nochmal und wir zeigen dir eine Eine-Minute-längere-Ending-Cutscene”. Schön, dass wenigstens der Metafiktionsklassiker “Stanley Parable” das dann zum Schluss auch mal frei von der Leber weg eingestehen kann.



“Ende?”

Wir versuchen uns in Punkto Innovativität erst gar nicht und widmen uns ganz klischeehaft zum Ende des Jahres der Frage nach dem “Ende?”. Der ganze Dezember soll sich um alles drehen was mit dem leidigen Thema zu tun hat: Geraten Videospiele nicht immer wieder in nicht-enden-wollende Schleifen? Müssen Bücher wirklich immer ein Ende haben oder können wir das nicht einfach mal weglassen (immerhin hat Phoebe aus der, mal nicht zu lange gelaufenen, Serie “Friends” tragische Filmenden einfach ignoriert)?

Jede Woche gibt es zwei neue Artikel zu lesen – allesamt mit einem Anfang und Ende versehen – vor allem aber aus ganz unterschiedlichen Perspektiven zum Thema Ende. Buchbesprechung, persönlicher Eindrücke, Musik und kritische Essays – eben alles was uns zum Ende so gerade einfällt.

Und weil das meist noch nicht genug ist, werden zwischendurch nicht nur auch mal Gastartikel zu lesen sein. Ab dem 2. Dezember startet auch noch unsere erste Blogparade zum Thema “Ende?”, bei der wir hoffen auch von euch noch ein paar Eindrücke sammeln zu können.

Egal wie viel oder wenig Beiträge wir dann aber sammeln konnten: Am 31. Dezember ist dann auch schon wieder alles vorbei. Im Januar wird es dann zwar noch einen kleinen Rückblick geben – das war’s dann aber auch. Schließlich muss alles Gute (so wie auch alles Schlechte) ein Ende finden, sonst ziehen wir das alles nur in die Länge und das Ende wird etwas peinlich. So wie das Ende dieses Beitrags.

#schraegesEnde

Übrigens: Wenn ihre eure Beiträge auf euren Social Media Accounts teilt, vergesst auch den offiziellen Hashtag #schraegesEnde nicht. Dann können wir eure Beiträge auch dort gleich teilen und besser ins Gespräch kommen.

 



Themenspezial Ende?

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Caecilia
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Caecilia

Ehemaliger(?) "Final Fantasy"-Freak. Hat durch die Liebe für das Japanische Rollenspiel zum Videospiel gefunden. Nachdem der Traum vom Leben im Land der aufgehenden Sonne schon am Sushi-Hass zerplatzte, fand die Musik- und Theaterwissenschaftlerin mit den Game Studies einen passenden Ersatz; ging ihren Dozenten deswegen permanent mit Hausarbeiten zu Videospielmusik, Avatartheorien oder Bewegungssteuerungskonzepten auf den Leim; versuchte sich nebenher als Redakteurin beim RETRO-Magazin oder stockte ihre Spielesammlung mit Aushilfsjobs bei GameStop auf. Ihr großer Traum: Mit einer Professur das eigene Hobby durch die Uni finanzieren zu lassen. Bis dahin tobt sich eben auf schraeglesen aus und bezahlt die Spiele vorerst aus eigener Tasche. Wegen ihrer Vorliebe für Indie Games hält sich der finanzielle Aufwand dabei zum Glück in Grenzen.

6 Kommentare:

  1. Pingback:Ende gut, alle tot. - Wie Sequelism gute Geschichten zerlegt | Geekgeflüster

  2. Vielleicht wird es dazu ja auch noch einen Artikel geben, aber gibt es in Zeiten von Franchises und Universes und wo alles eigentlich darauf hinausläuft einen Nachfolger zu implizieren überhaupt noch richtige Enden? Klar lautet die simple Antwort da Ja. Aber vielleicht versteht ihr ja was ich mit der Frage meine

    • Ein interessanter Gedanke, der ja auf die Frage hinausläuft, was überhaupt als Ende gilt? Ein Cliffhanger auch? Macht eine Fortsetzung ein Ende wieder zu einem Mittelteil? Aber ich muss auch sagen: theorethisch liebe ich Franchises und das Konzept von Geschichtenuniversen, denn Enden sind ja eigentlich nur dramaturgische Konstruktionen von Erzählern – das Leben als solches kennt kein Ende. Insofern sind Fortsetzungen vielleicht ehrlicher und Universen schaffen wunderbar verzweigte Strukturen (leider sind sie nicht immer gut). So, das war jetzt ein bisschen Erstes-Gedanken-Geschwurbel. Was ich damit sagen will: Wir haben zu dem Thema nichts geplant (nur etwas zu offenen Enden). Aber es klingt sehr spannend und wir würden uns freuen, wenn du diese Gedanken noch genauer ausführen willst.

      • Ich habe deine Antwort schon länger gelesen und ich bin bis heute noch auf keine wirkliche Antwort gekommen. Ich denke jedem ist klar, auf was ich mit diesem Thema anspreche. Und in der Frage ist für mich erstmal keine Wertung drin. Unabhängig davon wie ich selbst zu diesen Produkten stehe.

        Dann habe ich mir aber mal persönlich Gedanken gemacht, wie wichtig Enden für mich sind. Und da ist mir aufgefallen, dass das Ende für mich gar nicht so bedeutsam ist. Egal in welcher Form. Ob im Buch oder in Serie oder Film. Sopranos hat wahrscheinlich eines der meist diskutierten Enden der Seriengeschichte und es gefällt mir auch, aber mir bleibt da eher anderes im Kopf hängen und einzelne Ereignisse im Laufe der Staffel.
        Beim Ende von Der dunkle Turm kann man sich sicher Fragen, ob das Buch ein Ende hat. Eine Geschichte endet ja auch nicht mit der letzten Seite oder der letzten Folge. Da sind dann sicher Universen von Vorteil. Die Frage ist nur, ob sich ein wiederholter Blick in die Welt lohnt. Denn eigentlich ist Anfang und Ende ja auch immer willkürlich gesetzt. Es wird quasi ein Portal geöffnet und dort schauen wir in eine parallele Welt und sehen was dort grade passiert und wenn es nicht mehr interessant ist, schließen wir das Portal wieder. Doch was war davor und was passiert danach? Da muss am Ende (Hahaha) jeder für sich selbst entscheiden wo er/sie Anfang und Ende setzt.

        So das waren meine wirren Gedanken zum Thema. So richtig schlau bin ich da auch nicht draus geworden. 😀

        • Hmm, ich sehe das nur teilweise so: Es stimmt, dass das Ende nicht unbedingt das Beste oder Wichtigste einer Geschichte sein muss. Aber ich finde immer, wenn das Ende nicht passt, dann ist die Geschichte irgendwie nicht rund. Allerdings gibt es bei Serien, oder Buchreihen (oder auch bei manchen Büchern) mehrere Enden, sodass das endgültige Ende manchmal an Bedeutung verlieren kann.
          Aber sehr schön, dass du “Den Dunklen Turm” erwähnst. Das ist natürlich ein spannendes Ende! Dreht sich diese Geschichte einfach im Kreis, so wie der Roman, den ich letztens vorgestellt habe? oder deutet sich hier einfach ein Neustart einer Geschichte an (immerhin hat sich sein Item geändert)? Doch warum ausgerechnet an dieser Stelle? Hat dieser Moment in dem Romanzyklus Computerspielästhetik, weil die Quest etwas von Trial-and-Error bekommt? Das wiederrum passt dann wunderbar zu Cäcilia kommenden Beitrag (und so schließt sich wieder ein Kreis).
          Aber es ist auch ein spannendes Beispiel, weil King zwei Enden in eines verpackt. Das Bild wie Roland auf den Turm zugeht, könnte das eigentlich Ende sein. Doch er bietet dem Leser noch eine weiterführende Alternative (die ihm vermutlich nicht gefallen hat, weil sie die Fantasie beschneiden könnte).
          Insofern gebe ich dir auch nur begrenzt recht: Wir können nicht einfach entscheiden, wo wir Anfang und Ende setzen. Diese Entscheidung trifft eigentlich der Autor für uns, und deswegen ist es auch eine Leistung, das richtige Ende zu finden. Wir als Geschichtenkonsumenten können uns aber nur manchmal ermächtigen und uns einfach ein eigenes Ende suchen.
          Macht das Sinn? Suchst du dir lieber eigene Enden?

          • Ich glaube, ich verstehe so ein wenig dein Problem mit meiner Ausführung. Vielleicht häzze ich noch dazu schreiben sollen, dass ich das ganze im Kontext von Fortsetzungen und dem Erschaffen von Universen sehe.
            Natürlich wird meine Argumentation bei einzelnen abgeschlossenen Büchern etwas hinfällig.
            Im Zusammenhang mit Fortsetzungen meine ich das aber so, dass ein Autor/eine Autorin zwar die Hoheit über ihren Roman hat und was dort passiert. Sie/Er eröffnet mir den Blick in ein neues Universum und schafft mit der letzten Seite des Buches auch ein Ende. Ich kann aber als Leser selbst entscheiden, ob das Ende des Buches auch meins ist. Das heißt ich kann das Buch vorher beenden. Aus welchem Grund auch immer. Dazu passt ja auch die aktuelle Montagsfrage. Ich kann mich aber auch dazu entschließen, dass das Ende das der Autor gewählt hat nicht mein Ende ist. Da kommen dann evtl weitere Bücher des Autoren hinzu oder auch Fanfiction oder andere Arten die eine Geschichte erweitern können. Somit habe ich einen Einfluss auf das Ende.

            Die Scheibenweltromane von Terry Pratchett sind da meines Erachtens nach ein gutes Beispiel. Jede Geschichte steht für sich, Sie hat einen Anfang und ein Ende. Und ich kann dann sagen, das reicht mir. Ich kann aber auch weitere Bücher lesen und sowohl einen anderen Einblick mit neuen Figuren in die Scheibenwelt erhalten, als auch weitere Geschichten mit den gleichen Charakteren erleben. Der Zauberer Rincewind, Komissar Mumm und seine Arbeit bei der Polizei von Ankh Morpork oder die Hexenschülerin Tiffany Wee.
            Ähnlich ist es bei den Zamonien-Romanen von Walter Moers.

            Vielleicht ist nun etwas deutlicher was ich mit meinen Aussagen gemeint habe.

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