Montagsfrage: Apnoe-Tauchen im Büchermeer

Ich erhole mich gerade noch von dem ganzen Bücherstress am Wochenende und da flattert die Montagsfrage herein und fragt, ob ich schon einmal auf der Buchmesse war. Die Antwort lautet: Oh, ja! Aber wann, wie oft und wie überhaupt. Das fing schon vor langer Zeit an.

Buchmesse! Buchmesse! Buchmesse! Buchmesse!

Leipzig, Leipzig, Leipzig, Frankfurt, Leipzig, Leipzig, Frankfurt, Leipzig, Frankfurt, Leipzig

– BERUHIGE DICH MAL WIEDER!!!

Ist ja gut.

Vom Buchmesse-Amateur …

Am besten wir fangen am Anfang an: Meine erste Buchmesse habe ich als Schüler in Leipzig besucht, eben mit der Schule. Damals war das vermutlich der Versuch, die Schüler in die Auseinandersetzung mit Büchern zu bringen. Wir sollten dann auch irgendwelche Aufgaben machen, die im Nachhinein aber niemanden interessiert haben. Ich habe die sowieso nur halbherzig erledigt, weil mir der Mund einfach offenstand wegen der zahllosen Büchermengen.

Als Student habe ich die Messe dann auch wieder besucht. Daran kann ich mich kaum noch erinnern. Es war ein fast schon zielloses Stöbern in den Neuerscheinungen. Aber es war das erste Mal, dass ich die Preisverleihung der Leipziger Buchmesse gesehen habe. Danach wollte ich unbedingt „Unendlicher Spaß“ von David Foster Wallace haben. Ich habe es auch bald nach der Messe bekommen und bis heute steht es ungelesen im Schrank.

2666“ und damit Roberto Bolano habe ich im darauffolgenden Jahr entdeckt. Das war 2010 (ich musste nachschauen, um mich an das Jahr zu erinnern). Zum ersten Mal war ich länger als nur einen Tag auf der Messe um mich noch tiefer in die Bücherstapel zu versenken. Doch das einzige woran ich mich erinnern kann ist: dass ich ein signiertes Buch von Glavinic gekauft habe („Lisa“), dass wir ein Buch von einem klitzekleinen Verlag direkt vom Autoren gekauft haben und dass ich Joey Goebel verpasst habe (oder war das in einem anderen Jahr?).

Später hatte ich ein Praktikum am Darmstädter Theater. Zur gleichen Zeit war auch Buchmesse in Frankfurt und ich habe meinen freien Tag für einen Besuch genutzt. Ich war schlicht erschlagen von der Masse der Bücher, den mehrstöckigen Hallen. Ich habe damals auch überlegt mir einen neuen Murakami zu klauen und habe es doch nicht getan. Ich habe übrigens noch nie ein Buch auf einer Messe gestohlen. Aber meistens bekomme ich die sowieso umsonst.

Doch dann kam der große Einschnitt. Buchmessen wurden Manie und ich zu diesen Hochzeiten ein Arbeitstier.

… zum Buchmesse-Profi …

Ende 2013 habe ich die Literaturredaktion bei mephisto 97.6 übernommen. Ich glaube im Nachhinein, mehr gemacht zu haben, als es eigentlich nötig gewesen wäre, auch weil ich total überfordert war. Aber langsam. Ich war zunächst nur zuständig Bücher für Rezensionen rauszusuchen, doch mir wurde schon angekündigt, dass ich die Buchmesse 2014 planen muss. Denn das Leipziger Ausbildungsradio hatte seit einigen Jahren eine eigene Bühne auf der Messe, genauso wie MDR, DLF, ZDF und die ganzen anderen Abkürzungen mit Sendelizenz. Also habe ich innerhalb eines Monats Termine mit den Topautoren des Frühjahrs ausgemacht, Themenwochen und Schwerpunkte geplant und – darauf bin ich bis heute sehr stolz – eine besonders gutes Interview mit dem frischen Träger des Preises der Leipziger Buchmesse organisiert.

Im folgenden Jahr habe ich die ganze Arbeit noch einmal auf mich genommen. In Ermangelung von Alternativen. Ehrlich gesagt, war es ein noch schlimmeres Chaos, als im Jahr zuvor. Ich habe die Hälfte der Autorengespräche selbst vorbereitet, über Nacht Fragen für den Preisträger zur europäischen Verständigung Mircea Cartarescu aufgeschrieben und spontan mit dem Preisträger Jan Wagner ein Interview geführt.

… zum Buchmesse-Blogger

2016 war ich die Bürde endlich los und dennoch gab es da so ein Ziehen in meinem Herzen. Ich wollte auf die Messe, ich wollte wieder Interviews führen. Also war ich wieder auf der Bühne von mephisto 97.6 und habe einige Autoren getroffen, wie Roland Schimmelpfennig, dessen Stücke ich liebe und seine Romane eher weniger, oder Markus Heitz (um hier ein bisschen Fame zu streuen). Aber ich war auch das erste Mal für den Blog auf der Messe unterwegs. Eigentlich war das gar nicht geplant, aber das Buch „Der Fuchs“ von Nis-Momme Stockmann war zu spannend und wo ich gerade dabei war habe ich gleich noch andere Autoren gefragt. Also wieder Stress und zur Belohnung am Ende noch ein paar Bücher zum Besprechen abgestaubt. Nur diese Blogger-Session war langweilig und eigentlich ein ziemlicher Reinfall.

Weil das so erfolgreich lief, wollte ich das Gleiche auf der Frankfurter Buchmesse machen. Also habe ich meine Schwester ‚besucht‘ und bin täglich auf die Messe gepilgert. Wieder habe ich ein paar Interviews für mephisto97.6 geführt, aber auch wieder zahlreiche für den Blog.

2017 natürlich wieder in Leipzig, wieder zahlreiche Termine für den Blog: John von Düffel, Martina Clavadetscher, Jonas Lüscher

Und ein halbes Jahr später wieder in Frankfurt, und wieder einige Interviews für den Blog, zum Beispiel mit Thomas Lehr. Aber dieses Mal habe ich mich für einen anderen Sender einspannen lassen: detektor.fm und ihren Podcast N99. Da habe ich neben meinen Terminen noch andere Interviews vorbereitet und geschnitten. Insgesamt hat es erneut wenig Schlaf gegeben, weil ich die Bücher nie in der Woche vorher gelesen, sondern immer in der Nacht vor dem Interview davor. Einmal habe ich auch fast verschlafen.

Endlich sind wir in der Gegenwart angekommen. Erstaunlicherweise war es noch stressiger, als die Jahre zuvor, wie auch immer das möglich war. Aber das erfahrt ihr morgen im Buchmesse-Rückblick.

Das ist jetzt auch etwas lang geworden, aber ihr wisst: Ein einfaches Ja hätte nicht gereicht, also wollte ich euch daran teilhaben lassen, wie ich die Messe immer so verbringe. Und eins muss ich noch sagen: Ich habe bisher immer ein Buch entdeckt, dass mir im Buchladen wohl nie begegnet wäre. Was waren denn Eure schönsten Buchmesse-Entdeckungen?

Thilo
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Thilo

Hat sich von einer anfänglichen Faszination für Bücher, über erste Leseerfolge zum Bibliomanen entwickelt. Eigentlich hat der Kulturjournalist nur aus Langeweile gelesen, hier mal ein Buch im Zug, mal eines im Urlaub, mal ein bisschen vorm Einschlafen. Nach unausgegorenen Berufswünschen wie Koch, Hornist oder Schauspieler, verschlägt es ihn zum Studium der Theaterwissenschaft nach Leipzig und in die Redaktionsräume des Ausbildungsradios mephisto 97.6. Ganz beiläufig lässt er hier fallen, dass er eigentlich ganz gerne mal ein Buch lese. Schon einen Monat später leitet er – hopplahopp – die Literaturredaktion und Lesen wird zum Exzess (in den Tagen vor Buchmessen liest er gerne Nächte und Tage durch). Inzwischen spricht er hin und wieder bei MDR Kultur und dem Deutschlandfunk über Literatur, Theater, Musik, neue Medien und alles was die Leute (oder: ihn) interessiert. Sein Ziel: Der nächste Marcel Reich-Ranicki (und ein bisschen Gerhard Stadelmaier) werden – nur besser aussehend … und vielleicht etwas umgänglicher. So lange vergnügt er sich weiter auf schraeglesen.de

4 Kommentare:

  1. Lieber Thilo, das ist ein cooler Rückblick! Spannend, wie sich das bei dir über die Jahre entwickelt hat! Meine erste Buchmesse habe ich 2013 erlebt und habe direkt einige meiner Lieblingsautoren getroffen. Das war magisch! Seitdem kann ich einfach nicht anders: die Buchmesse ist eine Pflichtveranstaltung! LG, Alexa

    • Liebe Alexa,
      ich weiß gar nicht mehr sicher, wann mein erster Besuch auf der Buchmesse war. Irgendwann um 2005 rum – das ist schon ganz schön lange her. Damals hat es mir einfach gereicht, diese Unmengen von Büchern um mich zu haben. Dieser Blätterrausch reichte mir schon, um das zur Pflichtveranstaltung zu haben. Denn das Treffen mit Autoren kam tatsächlich erst, als ich begonnen sie selbst auf die Bühne/vor das Mikro zu zehren. Erst da habe ich die Magie des Redens über Bücher mit den Schreibenden verstanden. Jetzt komm ich nicht mehr davon los. Deswegen fahre ich inzwischen auch regelmäßig nach Frankfurt, auch wenn Leipzig sehr viel schöner ist. Auch wenn die ein bisschen an ihrem Image arbeiten sollten. Damit beende ich diesen Kommentar, sonst komme ich aus dem Schwafeln nicht mehr heraus (wenn alte Männer von früher erzählen ;-).
      Liebe Grüße, Thilo

  2. No no no, es heißt Apnoe, nicht Abnoe. Das taucht in der neuen Rechtschreibung nicht mit nem Säggs’schen “b” auf 😉

    Bin gespannt auf neue Beiträge im Blog!

    • Huch! Vielen Dank für den Hinweis. Ist im Titel geändert. Die einzigen Sportarten die betreibe sind eben Buchstapeldrücken und Seiten-Schnell-Blättern. Ach, und Fahrradfahren.
      Ja, in letzter Zeit war es etwas mau, vielmalige Bitte um Entschuldigung. Wir waren in den letzten Tagen und Wochen geistig nicht so richtig frei. Aber schau gerne mal bei Seite 37 bei detektor.fm vorbei, das hat mich literarisch etwas eingespannt. Und wir geben uns Mühe, das demnächst wieder mehr passiert – ganz viel Mühe…

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