Nachdem John von Düffel Schüler im Schreiben unterrichtet hat, wollte er auch ein bisschen wie sie sein. Deswegen lässt er in seinem neuen Roman “Klassenbuch” Schüler ihre abgründige Welt erzählen.
Der Leser hat auch nach der Lektüre keine Ahnung, wie es in diesem Klassenzimmer aussieht. Er bleibt in den Köpfen der sieben Erzähler, die John von Düffel in seinem Roman “Klassenbuch” nebeneinander stellt. Es geht nicht um ihre Bewegungen oder um die Welt um sie herum. Es geht um die Innenwelten, die virtuellen Welten. Da ist Erik, der mit seinem sexuellen Erwachen kämpft, denn selbst ihm werden die Gedanken fast zu viel. Emily kämpft für besseres Essen in der Kantine, womöglich nur eine Übeung für den Kampf um die bessere Welt. Lennart sieht das Leben als große Herausforderung, eine Fortsetzung virtueller Spiele. Li arbeitet schon jetzt auf den Erfolg als Sängerin hin mit einem Antrieb, der schon fast zu groß ist. Auch Nina (so nennt sie sich im Netz) arbeitet hart für ihren Erfolg: Sie lässt sich rund um die Uhr von einer Kamera verfolgen, um ihr Leben in der Öffentlichkeit zu zeigen, allerdings nur durch Filter, die sie gut aussehen lassen soll – das Internet ist ein Haifischbecken.
Natürlich kommen die Schüler nicht wirklich selbst zu Wort, obwohl es reale Vorbilder gab – es steht immer noch John von Düffel über dem Titel. Der Autor weist auch selbst darauf hin, dass das hier nicht der Versuch ist, sich der Sprache der jüngeren Generation anzunähern. Auf der einen Seite ist es vielleicht etwas irritierend, dass diese jungen Menschen eben doch wie von Düffel klingen, andererseits besitzt jede der Figuren einen sehr eigenen Klang, der die Persönlichkeit einfängt und auch mal poetische Qualitäten aufweist, die in eine melancholischere Welt führen, als sie Wirklichkeit ist.
John von Düffel: Klassenbuch. Dumont, 318 Seiten, 22€
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