Buchstabenheld?

Typografie muss nicht immer statisch in Büchern passieren. Dass Buchstaben auch Videospielhelden hervorbringen können, beweist das 2015 erschienene “Typoman” – ein Puzzle-Plattformer, der mich mit seiner visuellen Gestaltung und den kniffligen Wortspielereien schon 2014 als Demo auf der gamescom in den Bann ziehen konnte. (Und dem ich deswegen eigentlich schon einen Beitrag gewidmet hatte.) Drei Jahre später habe ich nun endlich einen Blick auf das komplette Spiel geworfen und geschaut, ob mich diese Begeisterung immer noch packen konnte.

Und so fängt alles an.

2015: “Wörterdrehen – Erinnerungen an Typoman”

(Auszug vom 26.November 2015, den kompletten Beitrag gibt’s hier)

Für mich war es 2014 DAS Highlight auf der Kölner Videospielmesse gamescom:  “Typoman”. Ungeduldig verfolgte ich seitdem die Meldungen des deutschen Entwicklerstudios, zu dem sich zwar gefühlt Monat für Monat neue Preise und Auszeichnungen gesellten – aber die Veröffentlichung lange auf sich warten ließ. Umso größer war die Freude, als der wortgewandte Puzzle-Plattformer letzten Donnerstag tatsächlich im Online Store zu finden war. [Leider bis dato aber eben nur für WiiU – und die hatte und habe ich auch nicht.]


Im Grunde genommen ist “Typoman” also ein einziges großes Wortspiel, bei dem sich selbst der Körper unseres kleinen Helden aus den Buchstaben für das Wort “hero” zusammensetzt. Dabei muss sich der Spieler von Worträtsel zu Worträtsel hangeln, um den Protagonisten durch seine düstere Welt der Typografie geleiten zu können. Wie das letztendlich aussieht, lässt sich am besten an einem Beispiel verdeutlichen, das mir noch vom Test auf der gamescom 2014 besonders im Gedächtnis hängen geblieben ist: Auf dem Boden liegt das englische Wort “part” – eigentlich ganz harmlos, denn was soll uns ein “Stück” oder “Teil” schon anhaben können? Nähert sich unser Protagonist jedoch dem Gegenstand, schnappt das Wort zu und verwandelt sich in eine “Falle” (= “trap” als Anagramm für “part”). In dem Beispiel war das Problem recht schnell gelöst – die “trap” ließ sich einfach mit einem zusätzlichen “s” in ein “strap” umwandeln und konnte so “festgeschnallt” werden – mit der Zeit sollten sich die Rätsel jedoch immer schwieriger gestalten (so zumindest das damalige Versprechen).

[…]

Vom Spielprinzip also eigentlich recht simpel, konnte mich “Typoman” bereits in den ersten 15 Minuten durch die liebevolle Gestaltung und die genialen Wortspiele sofort in seinen Bann ziehen – und hat mich seitdem nicht mehr losgelassen. Ob sich nun die Spielidee auch in der kompletten Version trägt oder ich damals nur eine Art frühzeitiges “Best of” erleben konnte, weiß ich nun leider nicht.

2017: Zwei Jahre warten – für was?

Drei Jahre und zwei gamescoms später. In der Zwischenzeit habe ich nicht nur “Limbo”, quasi die Inspirationsquelle von “Typoman”, durchspielen können, auch das Konsolen-Problem hat sich in der Zwischenzeit erledigt. Nicht, weil ich mir für den “Exklusivtitel” extra eine WiiU gekauft hätte (da hätte die Nintendo-Konsole schon ein paar schlagkräftigere Argumente auffahren müssen). Das “exklusiv” wurde ganz bald gestrichen und als Anfang diesen Jahres “Typoman” auch noch für Xbox One und PS4 erschien, musste ich schließlich zuschlagen und meine Reise mit dem buchstäblichen “hero” beginnen.

Nach einer reichlichen Stunde hatte die sich dann schon wieder ausgereist und ich saß ein wenig enttäuschter vor dem Bildschirm. Das sollte es wirklich schon gewesen sein? Nicht, dass mich die kurze Spielzeit wirklich gestört hätte, nein. Ich habe schon genug Indie-Spiele gespielt, um wissen zu können, dass eine Stunde keine ungewöhnlich kurze Zeit war – trotz zahlreicher Auszeichnen stammt der typografische Held schließlich immer noch “nur”  aus den Federn eines kleinen Entwicklerstudios. Und doch hatte ich – wohl auch gerade wegen der vielen Auszeichnungen – irgendwie mehr erwartet.

Wo liegt denn das Problem?

An der visuellen Gestaltung jedenfalls nicht. Die hatte sich seit dem letzten Mal nicht geändert. Eine düstere Welt, die mich – nachdem ich “Limbo” nun einmal selbst gespielt hatte – nur noch mehr an den Indie-Klassiker erinnerte. Aber auch das stört mich nicht. Ich mag den düsteren Stil, der sich in “Typoman” zwar tatsächlich etwas weniger schemenhaft und makaber gestaltet, seinen Reiz aber trotzdem nicht verfehlt.

Buchstaben geben auch Hinweise auf das, was der Spieler tun muss.

Ganz besonders beeindruckend sind dabei die Wörter und Buchstaben, die sich in dem Puzzle-Plattformer um den Buchstabenhelden sammeln. (Und die überhaupt der Grund sind, warum “Typoman” noch einmal einen Platz in unserem Themenspezial finden musste.) Es ist eben kein Zufall, dass sich unser “hero” allein aus Buchstaben zusammensetzt. Die ganze Spielwelt ist in “Typoman” von Buchstaben bevölkert. Einmal bilden Buchstaben einen Haufen Geröll, der von einem Lastwagen geworfen wird und aus dem das erste “O” unseres “hero’s” heraus rollt. Ein anderes Mal hängt das Wort “feed” an Seilen von der Decke und gibt uns den Hinweis, dass wir das wörterhungrige Monster aus dem Boden mit Buchstaben füttern sollen. Und wieder ein anderes Mal verzerrt sich das Wort “doom” vor unseren Augen zu einem albtraumhaften Monster.

Das “doom”-Monster.

Sind es die Rätsel?

Zunächst auch nicht. Eigentlich schienen die genau das zu sein, was sie einst in der Demo versprochen hatten: Ein Wortspiel reiht sich an das nächste, Buchstaben müssen verschoben werden, um Schalter freizulegen, Plattformen bewegt, Wörterautomaten, die wirre Buchstaben ausspucken und die ich nun zu einem sinnvollen Wort zusammenfügen musste, um den Weg wieder frei zu bahnen.

Ein paar Rätsel erkannte ich sogar haargenau aus der 15 minütigen Demo wieder – was mir die Suche deutlich erleichterte, wenn ich mal wieder zu blöd war die passende englische Vokabel für das zu finden, was ich da tun musste. Oder erst gar nicht wusste, was ich da überhaupt tun sollte. Dann wusste ich zum Beispiel aus der Demo, dass ich “rain” durch ein zustätzliches “d” in ein “drain” verwandeln musste, um den Tintenheld nicht in der Pfütze auflösen zu lassen.

Ich kannte das doch alles schon – und genau da war auch mein Problem.

Das Trailer-Problem

Es ist ein altbekanntes Problem: Trailer gesehen, Trailer ist so packend, dass ich mich schon monatelang auf das Endprodukt freue. Endprodukt gesehen und ich muss feststellen, dass der Trailer schon das Beste an der ganzen Sache war. Enttäuschung.

Und genau das Problem hat auch “Typoman”!

Die 15-Minuten Demo war großartig: Kreative Wortspielereien, eine faszinierende Welt, ein interessantes Konzept. Auch die ersten Minuten des fertigen Spiels waren noch beeindrucken, konnten mich aber nicht mehr wirklich überraschen, da ich die Rätsel eigentlich schon kannte. Und das änderte sich auch nicht, als ich mit dem Spiel immer weiter voran schritt – im Gegenteil: Irgendwann wiederholten sich die meisten Worträtsel nur noch, dass ich eigentlich fast nur noch bei der Wörtermaschinen wirklich tiefer gehend überlegen musste. (Und die frustrierten meist auch nur, weil ich dann oft nicht mal wusste, was das Spiel an der Stelle wirklich von mir wollte. Dann auch noch das richtige Wort zu finden, gestaltet sich wirklich mehr als mühsam.)

Fazit: Manchmal sollte man doch nur bei Trailern bleiben

Ich will jetzt eigentlich auch gar nicht die ganze Zeit auf “Typoman” herumtrampeln. Denn aus rein typografischer Sicht – und darum geht es in diesem Themenspezial überhaupt – ist der Puzzle-Platformer wirklich hübsch gestaltet bietet einige kreative Ideen. (Obwohl ich jetzt nicht sich sagen könnte, welche Schriftart hauptsächlich verwendet. Irgendetwas schreibmaschinenähnliches. Vielleicht Courier?)

Wenn man die Demo vorher nicht gespielt hat, ist “Typoman” ein netter, wenn auch manchmal sehr frustrierender, Zeitvertreib, bei dem man sich eben nur nicht über die Tiefe der Worträtsel und Handlung Gedanken machen sollte. Vielleicht liegt es auch an mir, dass meine Erwartungen an “Typoman” irgendwann einfach zu hoch waren. Vielleicht  hätte auch ein weiterer literarischer Blick mehr geholfen. Wahrscheinlich war die Idee dann eben doch das Beste an dem Spiel und ich hätte “Typoman” doch einfach nur in guter Erinnerung behalten sollen.


Themenbeiträge:
Einführung // Experimentelle Typografie // Geschichte der Computer(spiel)Typografie // Videospieltypografie

Besprechungen:
“Alles oder Nichts” // “Typoman” // “Type:Rider”

Caecilia
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Caecilia

Ehemaliger(?) "Final Fantasy"-Freak. Hat durch die Liebe für das Japanische Rollenspiel zum Videospiel gefunden. Nachdem der Traum vom Leben im Land der aufgehenden Sonne schon am Sushi-Hass zerplatzte, fand die Musik- und Theaterwissenschaftlerin mit den Game Studies einen passenden Ersatz; ging ihren Dozenten deswegen permanent mit Hausarbeiten zu Videospielmusik, Avatartheorien oder Bewegungssteuerungskonzepten auf den Leim; versuchte sich nebenher als Redakteurin beim RETRO-Magazin oder stockte ihre Spielesammlung mit Aushilfsjobs bei GameStop auf. Ihr großer Traum: Mit einer Professur das eigene Hobby durch die Uni finanzieren zu lassen. Bis dahin tobt sich eben auf schraeglesen aus und bezahlt die Spiele vorerst aus eigener Tasche. Wegen ihrer Vorliebe für Indie Games hält sich der finanzielle Aufwand dabei zum Glück in Grenzen.

2 Kommentare:

  1. Eine sehr schöne Rezension!

    Ich habe von Typoman auch nur die Demo gespielt, die ich ziemlich faszinierend fand, allerdings vor allem von der Idee her. Spielfluss und Steuerung waren eher hakelig und ich konnte mir beinahe schon denken, dass die originelle Idee sich ziemlich bald abnutzen würde. Die ersten Tests der Vollversion fielen dann auch eher verhalten aus.

    Ganz grundsätzlich kann ich deinem Fazit nur anschließen: Bei manchen Spielen reicht es, die Demo gespielt zu haben (und das darf man jetzt gern als Plädoyer für kürzere Spiele verstehen). 😉

    • Vielen lieben Dank für deinen Kommentar und das liebe Kompliment 🙂

      Ja, ich muss gestehen, dass ich zu dem Zeitpunkt noch ziemlich blauäugig davon überzeugt war, dass das ein tolles Spiel werden könnte. Hatte mit den Entwicklern auch ein Interview geführt und da hatte der Enthusiasmus wohl auch etwas übergegriffen. Vielleicht lag es aber auch daran, dass ich von den restlichen Spielen auf der gamescom damals ziemlich gelangweilt war, mir “Typoman” dann wie das gelbe vom Ei vorkam und ich den ein oder anderen Ruckler dann doch übersehen habe.

      In jedem Fall denke ich schon, dass man das aus dem Konzept durchaus auch ein längeres Spiel (eben auch in der Länge von einer Stunde) hätte rausholen können. Dann hätte man sich aber wahrscheinlich einen Sprachwissenschaftler oder Literat – oder sonst irgendjemanden der der englischen Sprache mehr als mächtig ist – mit ins Boot holen sollen. Aber so merkte man dem Spiel leider schon an, dass da den Entwicklern einfach irgendwann das entsprechende Vokabular ausging oder die Lust ausging, um weiter nach Ideen zu graben. Was ich schade finde, weil ich eben immer noch finde, dass man da durchaus hätte mehr heraus holen können.

      Ansonsten stimme ich dir natürlich zu – Spiele sollten viel öfter Mut zur Kürze beweisen. Nur denke ich eben, dass das bei “Typoman” so nicht hätte der Fall sein müssen…
      Ach.. man merkt es vielleicht schon. Das ärgert mich irgendwie immer noch ein wenig. 😀

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