Gerettet aus dem Büchermeer

Vergangene Woche habe ich mir die volle Ladung gegeben und volle fünf Tage (ok, nicht immer von 9 bis 18) Frankfurter Buchmesse gegeben. Einiges gesehen, wenig neues gelesen und geredet. Vor allem bin ich aber wieder heil zurück

A.E.: Na, wie war’s auf der Buchmesse?

T: Welche Buchmesse?

A.E.: Du warst doch auf der Frankfurter Buchmesse!?

T: War ich das? Pause Richtig, stimmt. – Ja, da hab ich gar nicht viel von mitbekommen. Abends habe ich die ganzen Bücher noch gelesen (ich bin mir im Nachhinein nicht einmal mehr sicher, ob ich die noch im Kopf auseinanderhalten kann), über die ich am nächsten Tag sprechen wollte, am Vormittag hing ich vorm Computer um die Fragen vorzubereiten und dann bin ich von Halle zu Halle gerannt (irgendwie habe ich es nicht geschafft, dass die Termine mal nebeneinander gelegen hätten) um die Autoren zu treffen, die dann leider nicht mal immer da waren, wo sie sein sollten.

A.E.: Das heißt, du bist da hingefahren und hast gar nichts mitbekommen?

T: Naja, ganz so schlimm war es nun auch nicht. Also was ich wirklich bedauerlich fand: Ich war bei so einer Presseveranstaltung über dem nächsten Gastland der der Leipziger Buchmesse, nämlich Litauen, aber weil ich da erstmal so mit Arbeit beschäftigt war, habe ich überhaupt nichts von den ganzen leckeren Spezialitäten abbekommen. Ich weiß nicht. Ich glaube, du kannst als Journalist noch so erfolgreich sein, du bist nie erfolgreich genug um Gratis-Essen sausen zu lassen.

A.E.: Aber du hast dich schon auch mal auf der Messe umgeschaut?

T: Joa, im Vorbeigehen schon, ist ja immer noch so spannend, weil ich die meisten Titel ja schon in den Katalogen gesehen hatte, vielleicht noch ein-zwei Sachen, die mir neu waren, aber nichts Besonderes. Die Lesungen auf der Messe hatte ich irgendwie gar nicht im Blick, hätte ich auch keine Ruhe zu gehabt. Aber ich war noch auf dem Platz in der Mitte – sie nennen es ganz gebildet mit griechischer Antikenrezeption Agora. Da gab es so ein paar spezielle Projekte von den niederländischen Ehrengästen.

A.E.: Und? Gut?

T: Spannend auf jeden Fall. Ich war zuerst beim Grunberg Lab, und habe mich messen lassen. Fragender Blick von A. Also es geht um eine Experiment: Der Autor Arnon Grünberg hat beim Schreiben der Erzählung „Die Datei“ seine Hirnströme, Schweiß und Herzschlag messen lassen und das gleiche wird dann auch beim Leser gemessen. Ist auch ein ganz netter Text über ein Mädchen, dass selber versucht, sich in der computerisierten Welt zurecht zu finden. Leider habe ich es nicht ganz zu Ende gelesen, weil zwischendurch das Messprogramm ausgefallen ist und ich bin mir nicht ganz sicher, ob es so gut funktioniert hat: Weil ich noch etwas müde war, hat das Programm meinen Gesichtsausdruck immer als wütend erkannt, und immer wenn ich eine Verbindung zum Text gespürt habe, hat es Angst in meinem Herzen registriert. Aber so kam es dann auch immer wieder zu komplett divergierenden Aussagen bei dem Gesicht und den Innereien.

A.E.: Aber das war ja nicht das einzige.

T: Nee. Da vor noch seine Videosache. Ich habe mir einen Arztkittel angezogen, mit ein Leiden ausgedacht und dagegen ein Buch empfohlen. Das zeig ich dir, wenn es dann online steht. Außerdem gab es auch viel Technik, mag man ja kaum glauben. Aber es gab verschiedene elektronische Lesehilfen, die vorgestellt wurden und multimediale Geschichte. Zum Beispiel eine Art Stream of Consciousness eines Vaters der am Tisch mit seiner Tochter redet – ganz hübsch eigentlich. Aber vor allem bin ich halt durch die Messe gerannt zu meinen Terminen, die ich jetzt noch alle nacharbeiten muss.

A.E.: Klingt ganz schön stressig.

T: Oh ja! Ich bin danach sechs Stunden mit dem Bus zurück gefahren und es ging nichts mehr. Ich wollte lesen, aber ich konnte mich nicht mehr auf die Buchstaben konzentrieren. Selbst für einen einfachen Comic hat die Kraft nicht mehr gereicht. Und Am Montag danach konnte ich auch nur noch im Bett liegen. Geht inzwischen wieder und ich habe schon wieder ein paar Interviews fertig geschnitten. Aber was geht bei dir so?

A.E.: Ach, nicht viel. Ich kämpfe mich gerade durch so einen jüdischen Familienroman. Ganz nett, aber jetzt auch nicht so überraschend und fesselnd, dass man die 450 Seiten in einem Rutsch durchliest. Aber ich werde es schaffen!

Thilo
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Thilo

Hat sich von einer anfänglichen Faszination für Bücher, über erste Leseerfolge zum Bibliomanen entwickelt. Eigentlich hat der Kulturjournalist nur aus Langeweile gelesen, hier mal ein Buch im Zug, mal eines im Urlaub, mal ein bisschen vorm Einschlafen. Nach unausgegorenen Berufswünschen wie Koch, Hornist oder Schauspieler, verschlägt es ihn zum Studium der Theaterwissenschaft nach Leipzig und in die Redaktionsräume des Ausbildungsradios mephisto 97.6. Ganz beiläufig lässt er hier fallen, dass er eigentlich ganz gerne mal ein Buch lese. Schon einen Monat später leitet er – hopplahopp – die Literaturredaktion und Lesen wird zum Exzess (in den Tagen vor Buchmessen liest er gerne Nächte und Tage durch). Inzwischen spricht er hin und wieder bei MDR Kultur und dem Deutschlandfunk über Literatur, Theater, Musik, neue Medien und alles was die Leute (oder: ihn) interessiert. Sein Ziel: Der nächste Marcel Reich-Ranicki (und ein bisschen Gerhard Stadelmaier) werden – nur besser aussehend … und vielleicht etwas umgänglicher. So lange vergnügt er sich weiter auf schraeglesen.de

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