– Wirklich schlecht. Also das is ja so ein Schrei nach Liebe. Das kann doch keiner ernsthaft gut finden.
– Wovon redest du?
– Na, von dem Buch mit der U-Bahn drauf.
So beginnt Babet Mader ihr neuestes Buch “Dialoge” und schaut damit ganz ironisch auf ihren Romanerstling. “hungrig” heißt er. Aber ist der wirklich ein sinnloser Schrei nach Liebe? Als mir der Verleger dieses Buch mit der U-Bahn zeigte war ich von dem Konzept des Buches fasziniert. Es ist ein junger Leipziger Roman, der die Welt durch einsame Augen zeigt.
Schließe doch einmal die Augen, achte nicht auf die Geräusche um Dich herum. Wenn Du alles ausblendest, kannst Du sie ganz leise hören: Die eigenen Gedanken. So ähnlich klingt auch Babet Maders Debüt “hungrig”, in der die Autorin Einblick in die merkwürdige und zerüttete Welt ihrer Protagonistin gewährt. Sie bleibt namenlos, erzählt keine Geschichte. Ihre Gedanken sind reiner Selbstzweck. Die Leser können nur erahnen, was mit ihr geschehen ist, welche Enttäuschungen sie in der Liebe, den Beruf und der Familie erlebt hat. Doch es entsteht das Bild, wie sie mit angezogenen Beinen einsam auf dem Bett sitzt oder mit leerem Blick vollkommen allein durch überfüllte Straßen wandert.
“… ich kann nicht mehr schreiben mit der rechten hand tippe mit links oder sag es sag wie es dir geht man sieht es nicht aber mein gehirn merkt es ich trainiere eine scheiße aber sonst ich finde menschen komisch du fandest menschen doch schon immer komisch ich fand die menschen schon immer komisch aber je mehr zeit ich mir selbst verbringe desto mehr zeit möchte ich mit mir selbst verbringen und weniger mit anderen alles sehr seltsame menschen überflüssiges außen …”
Sicherlich, die Technik des Gedankenstroms ist nichts Neues, doch zu oft wirken diese nur bis zu einem gewissen Grad authentisch, denn wer denkt schon mit Satzzeichen (ich zumindest vergesse Punkte gerne). Deswegen verzichtet Mader, wenngleich nicht als Erste, auf jegliche Interpunktion, stattdessen setzt sie nur vereinzelt Kreise, die wie Atempausen oder vielmehr Gedankensprünge wirken.
Vielleicht hätte Mader noch mehr mit der Sprache experimentieren können. Viel zu leicht kann der Leser sich die Satzzeichen noch denken, die Sätze verlieren sich nicht, noch überlagern sie sich. Dennoch entwickelt der Roman einen Sog, der den Leser in den Kopf der Protagonistin zieht. Er spürt ihre Einsamkeit, er denkt und atmet mit ihr im Gleichtakt. Stimmen von Anderen klingen wie von weit her und wirken wie Fremdkörper, wenn sie sich, statt in Anführungszeichen, in anderen Schriftfarben in den Text drängen.
Der Roman verspricht die Stimme einer jungen Generation zu sein – wie so viele Veröffentlichungen. Aber Babet Mader gelingt das tatsächlich: sie zeichnet das Bild eines Individuums voller Marotten, das den Weg gar nicht mehr sehen kann und in einer überfüllten Welt keinen Anschluss findet. Der experimentelle Zugang ist zwar nicht vollkommen neu, und hätte vielleicht noch weitergehen können. Auf jeden Fall unterstützt die Form den Inhalt. Babet Mader legte ein anrührendes, wahrhaftiges und mutiges Debüt vor.
Babet Mader: hungrig, open house Verlag, Leipzig 2012, 128 Seiten, 18,00€
P.S.: Babet Mader hat gerade den Band “Dialoge” mit Fotografien von Phillip Zwanzig veröffentlicht.
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