Episode 6: Herausforderung

Wir lesen zwar beide gerne, aber unsere Vorlieben unterscheiden sich – sogar recht deutlich. Für unsere sechste Ausgaben wollten wir uns gegenseitig herausfordern und haben mitgebracht, was wir selbst gerne lesen, der andere aber eben nicht: Essays und Gedichte.

Schreibendes Nachdenken

Vielleicht liegt es an ihrem Anglistikstudium, wo diese literarische Form eher vertreten ist: Lara liest sehr gerne Essays, vor allem mit feministischen Themen. So sind wir in der vierten Folge auch auf die Amerikanerin Maggie Nelson gestoßen, die Lara besonders gerne liest.

Für diese Episode hatte sie zwei Bücher vorgeschlagen. Wir haben uns dann für Connie Palmens essayistische Biographien über vier außergewöhnliche weibliche Künstlerinnen entschieden. Ein Feld, in dem sich die niederländische Autorin bereits mit ihrem Roman über Sylvia Plath „Du sagst es“ bewiesen hat.

Connie Palmen: “Die Sünde der Frau”, Diogenes, 96 Seiten

Wortreduzierungen

Ich bin fasziniert von zeitgenössischer Lyrik! Vielleicht liegt es daran, dass es ein recht überschaubares Feld ist, denn jedes Jahr kommen nur wenige bemerkenswerte und neue Gedichtbände heraus. Der Grund könnte allerdings auch im Abwechslungsreichtum liegen: Ich habe das Gefühl, womöglich weil sie auf Grund ihres Nischendaseins keine Mode nachrennen oder sich anbiedern müssen, dass jeder Dichter einen sehr eigenen Zugang zu Sprache und Themen entwickelt. Dazu kommt noch der Umgang mit der Sprache, der eben dicht ist und den ich auch bei Romanen sehr schätze.

Dabei wäre es totale Übertreibung zu behaupten, dass ich Gedichte immer auf Anhieb verstehen würde. Ganz im Gegenteil: Ich muss sie mindestens zwei- oder dreimal lesen, ich versuche Rezensionen zu finden, die mir den Zugang erleichtern oder ich lese die Anmerkungen im Band sozusagen als Beipackzettel.

Deswegen ist unsere Wahl unter den Gedichtbänden in meinen Schrank auf das Debüt „Und das alles ist genug“ von Thilo Krause gefallen. Diese Gedichte fallen nicht unbedingt durch große Experimente heraus, aber man könnte sie als well made bezeichnen. Der Naturwissenschaftler Krause besticht zunächst durch wunderbare Natur- und Alltagsbeschreibungen. Seine Sprache ist dabei weder blumig noch kalt, sondern klar und Gefühl. Was mich an seiner Lyrik immer wieder begeistert ist vor allem die ruhige Rhythmik. Doch natürlich geht es in den Gedichten nicht nur um Regen auf Fensterscheiben – Krause erzählt zum Beispiel auch von den Menschen, von seinen Großeltern und die Vergangenheit Dresdens. Auch hier bleibt sein Ton ruhig und bedächtig, sodass die Lesenden genug Zeit bekommen sich in diese Bilder zu vertiefen.

Thilo Krause: „Und das ist alles genug“, Poetenladen, 87 Seiten

Thilo
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Thilo

Hat sich von einer anfänglichen Faszination für Bücher, über erste Leseerfolge zum Bibliomanen entwickelt. Eigentlich hat der Kulturjournalist nur aus Langeweile gelesen, hier mal ein Buch im Zug, mal eines im Urlaub, mal ein bisschen vorm Einschlafen. Nach unausgegorenen Berufswünschen wie Koch, Hornist oder Schauspieler, verschlägt es ihn zum Studium der Theaterwissenschaft nach Leipzig und in die Redaktionsräume des Ausbildungsradios mephisto 97.6. Ganz beiläufig lässt er hier fallen, dass er eigentlich ganz gerne mal ein Buch lese. Schon einen Monat später leitet er – hopplahopp – die Literaturredaktion und Lesen wird zum Exzess (in den Tagen vor Buchmessen liest er gerne Nächte und Tage durch). Inzwischen spricht er hin und wieder bei MDR Kultur und dem Deutschlandfunk über Literatur, Theater, Musik, neue Medien und alles was die Leute (oder: ihn) interessiert. Sein Ziel: Der nächste Marcel Reich-Ranicki (und ein bisschen Gerhard Stadelmaier) werden – nur besser aussehend … und vielleicht etwas umgänglicher. So lange vergnügt er sich weiter auf schraeglesen.de

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