Montagsfrage: Wüste im Kopf

Diese Frage trifft ins Herz und ein bisschen ins Gewissen: Wie gehst du als Buchblogger mit Ideenlosigkeit oder Phasen in denen du nicht liest um? Ein mehr oder weniger fiktiver Gedankengang.

Die Augen starr auf den Bildschirm gerichtet.

„Nein, bleib noch hier!“, sagt mein Gewissen. „Du weißt, dass du zu Hause nur auf der Couch einschläfst. Und es gibt noch einiges zu tun!“

Schon gut! Ich habe es ja verstanden. Also öffne ich ein Browser-Fenster und erledige alle nötigen und unnötigen E-Mail-Konversationen. Außerdem öffne ich schon einmal Youtube – um nebenbei ein wenig Musik zu hören. Aber als erstes öffne ich ein lustiges Video, das mich eigentlich nur prokrastinieren lässt.

In doppelter Hinsicht: Denn jetzt suche ich im Internet erstmal nach Berichten zur Italien. Verdammt! Lernt eigentlich niemand aus der Geschichte?

Egal, das Problem ist zu groß um es an einem Nachmittag zu lösen oder auch nur zu erklären. Oder?

„Ja, ist es! Und jetzt mach dich an die Arbeit!“

Bleib mal locker, Gewissen. Es ist doch gerade mal kurz nach drei. Ich habe auch schon zu Mittag gegessen. Das kommt mir nicht in die Quere.

„Du wolltest aber schon vor dem Mittag anfangen.“

Ja, aber ohne Essen bin ich so unkonzentriert. Zugegeben: Mit Essen auch.

Nun gut, ich öffne ein Word-Dokument und schaue erstmal ein paar Minuten darauf.

Zwischendurch switche ich mit einer praktischen Tastenkombination immer wieder in den Browser. Aktualisiere mein E-Mails. Scrolle durch Facebook. Da gab es so viele Kommentare in dem Buch-Club. Die muss ich unbedingt mal lesen.

„Aber nicht jetzt!“

Hast ja Recht, liebes Gewissen. Wieder zurück zum Word-Dokument. Womit fang ich jetzt eigentlich an? Schreibe ich an meinem Text, von dem ich hoffe, dass manche Literatur dazu sagen? Oder die Kolumne über Buchtitel? Oder den Beitrag über Buchtitel? Oder schreibe ich die Interviewanfragen für die Buchmesse? (Da fällt mir ein, dass ich mich noch akkreditieren muss. Das mache ich am besten gleich.

Erledigt. Fühlt sich echt gut an, etwas geschafft zu haben.) Eigentlich müsste ich auch noch das Buch lesen, für das Interview am Mittwoch. Womit fang ich nur an? Während ich überlege, schaue ich mir erstmal ein lustiges Video an.

„Was machst du da?“

Nichts. Ich schaue, ob eine wichtige E-Mail kam. (Oh ja… oh nee, das ist nur die Bestätigung, dass ich die Akkreditierung abgesendet habe.)

Gut, fange ich mal an. Ich habe doch noch massig Zeit, es ist gerade mal um 4. Aber wie fange ich denn jetzt den Beitrag zur Montagsfrage an? Es braucht einen netten Teaser-Text und einen guten Anfang. Was könnte das sein? Solange ich überlege, schaue ich mir ein lustiges Video an.

Mein Gewissen räuspert sich.

Ich habe doch nur kurz überlegt… Oh, eine E-Mail in meinem anderen Postfach, die muss ich dringend lesen. So jetzt fang ich. Die Zeit schreitet ja voran, am besten schreibe ich einfach mal was hin.

Da gäbe es so viel zu erzählen: Dass ich meistens so viel zu tun habe und dann am Abend keine wirkliche Kraft mehr habe für ein Buch und ich mir denke, dass ich das auch später noch lesen könnte. Dann nähert sich die Messe und plötzlich habe ich Stress! Ich muss noch ein paar Bücher besprechen, die ich mir habe schicken lassen. Sonst schicken die mir am Ende keine neuen.

Die Messe geht schon in drei Tagen los – ich muss noch zehn Bücher lesen, jetzt aber hurtig. Nach der Messe folgt die total Ermüdung: Ich habe so viel gelesen, dass ich nichts mehr verdauen kann. Also schreibe ich erstmal Beiträge. Aber kaum habe ich mich hingesetzt, schwirren mir zu viele Ideen durch den Kopf. So könnte der Beitrag enden, das könnte ich in die Mitte des nächsten Beitrags schreiben. Ich könnte auch mal ein Inszenierungskonzept einer Oper veröffentlichen. So viele Ideen! Was wollte ich gerade machen? Richtig, ich muss diesen Beitrag schreiben. Ich weiß gerade gar nicht wie ich da weiterschreiben soll.

Ich weiß gerade weiterschreiben soll… Vielleicht führe ich stattdessen eine banale Diskussion auf Facebook – das macht immer Spaß.

„Was zum Teufel machst du da?“

Oh, eine neue E-Mail. Die ist dringend. So, schon beantwortet. Irgendwie fehlen mir für dein Beitrag noch ein paar wichtige Infos/Zitate/lustige Referenzen. Ich muss wohl erstmal nach Hause um 30 Bücher gleichzeitig anzufangen und sie dann alle nicht rechtzeitig zu Ende lesen…

Zu Hause ist es wirklich entspannend.

„Ist doch erst mal was kleines, war echt ein stressiger Tag heute.“

Gute Idee, du chilliges Ich meines inneren Schweinehundes.

„Und mach ruhig nebenbei den Fernseher an. Du kannst dich sowieso besser entspannen, wenn nebenbei etwas dudelt.“

Stimmt!

„Was?!“

FRESSE, Gewissen! Ist ja nur eine Folge.

Warum hört das jetzt eigentlich auf abzuspielen. Das passiert doch erst nach drei Epi— Wie spät ist es. Verdammt! Das wird wohl heute nichts mehr.

Das Freizeichen ertönt.

Cilly, kann ich es auch morgen noch posten?

Ja, okay. Hilft jetzt nichts mehr.

Eben, wir haben hier auch keine Pflicht zu irgend etwas. Das soll auch Spaß machen. … Also morgen.

(Oder nächste Woche, oder nächsten Monat)

Wann ist die Buchmesse? In drei Tagen? Da muss ich noch eine Menge wegarbeiten!

Thilo
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Thilo

Hat sich von einer anfänglichen Faszination für Bücher, über erste Leseerfolge zum Bibliomanen entwickelt. Eigentlich hat der Kulturjournalist nur aus Langeweile gelesen, hier mal ein Buch im Zug, mal eines im Urlaub, mal ein bisschen vorm Einschlafen. Nach unausgegorenen Berufswünschen wie Koch, Hornist oder Schauspieler, verschlägt es ihn zum Studium der Theaterwissenschaft nach Leipzig und in die Redaktionsräume des Ausbildungsradios mephisto 97.6. Ganz beiläufig lässt er hier fallen, dass er eigentlich ganz gerne mal ein Buch lese. Schon einen Monat später leitet er – hopplahopp – die Literaturredaktion und Lesen wird zum Exzess (in den Tagen vor Buchmessen liest er gerne Nächte und Tage durch). Inzwischen spricht er hin und wieder bei MDR Kultur und dem Deutschlandfunk über Literatur, Theater, Musik, neue Medien und alles was die Leute (oder: ihn) interessiert. Sein Ziel: Der nächste Marcel Reich-Ranicki (und ein bisschen Gerhard Stadelmaier) werden – nur besser aussehend … und vielleicht etwas umgänglicher. So lange vergnügt er sich weiter auf schraeglesen.de

4 Kommentare:

  1. Die Frage, die ich mir immer stelle: Werden Texte übers Aufschieben der eigenen Arbeit während des Aufschiebens geschrieben oder danach? 🙂

  2. Hey Thilo!

    Wow. Ein Wahnsinns-“Dialog” und trifft die Nadel auf dem Kopf.

    An sich will ich immer irgendwas lesen oder bloggen, aber ohne das es zur Pflicht wird. Irgendwann rächt sich dann auch der Körper bei nur 5-6 Stunden Schlaf… Zumindest ging es mir diese Woche so.

    Abschalten ist nicht schlimm, kommende Woche wird besser, so sag ich mir das immer wieder. Ich hoffe das klappt auch mal

    Die Buchmesse wird kommen und dann auch wieder gehen 😉

    Viele Grüße Tina

    • Hi, Tina.
      Danke für deinen Kommentar.
      Das mit dem wenigen Schlaf kenne ich, noch mehr zu Buchmesse-Zeiten. Wenn ich dann die ganze Zeit konzentriert arbeiten würde und früh genug angefangen hätte, dann könnte ich wenigstens öffentlich Mitleid erbetteln. Aber da ich mich immer ablenken lasse (Ich habe, während ich diese Antwort schreibe zwei oder drei Partien Minesweeper gespielt – und alle verloren), kann ich mich nur selbst bemitleiden. Außerdem fürchte ich die Antwort: “Musst ja nicht, haste dir doch selbst ausgesucht”
      Aber geschenkt. Wenn der Beitrag da ist und man ihn ohne Bedenken ob seiner Qualität veröffentlichen kann, dann hat sich alles gelohnt.
      in diesem Sinne wünsche ich uns viel Kraft für die Messe, vielleicht läuft man sich abgekämpft über den Weg.
      Liebe Grüße,
      thilo

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