Für die siebente Episode haben wir noch guten Büchern in kleinen Verlagen gesucht. Bei der Diskussion zeigte sich, dass die Bücher noch mehr verbindet. Leider auch ein mehr oder weniger enttäuschendes Ende.
Fund auf der Messe
Man soll Bücher nicht nach ihrem Einband bewerten, so ein allgemeiner Sinnspruch. Ehrlich gesagt, halte ich mich da nicht so ganz dran, aber das ist eine Diskussion für einen anderen Zeitpunkt. Ich spreche, das auch nur an, weil uns der Einband eben auch zu unserem ersten Buch geführt hat. Natürlich war das nicht das einzige: Lara schätzt den Verlag Ink Press nicht nur wegen seiner bibliophilen Buchkunst, sondern auch wegen der guten Titel. Als uns “Elada Pinjo und die Zeit” in die Hände fiel, waren wir nicht nur vom Cover begeistert, sondern auch von der Geschichte, die uns versprochen wurde.
Die bulgarische Autorin Kerana Angelova erzählt aus dem Leben der Elada Pinjo, das scheinbar voller Magie steckt: Schon der Beginn liest sich wie der Mythos von Romulus und Remus. Den das kleine Mädchen wird im Wald zurückgelassen und von einer Hirschkuh aufgezogen. Später wird sie von Nomaden aufgenommen und flieht noch später mit ihrer Ziehmutter in die Städte.
Hin und wieder gibt es magische Momente, so wie es im magischen Realismus üblich ist, doch diese Momente haben nur bedingt Bedeutung für die Handlung. Die Frage nach Heimat, Identität und Zugehörigkeit, die sich auf dem Balkan vermutlich anders stellt als in Westeuropa, schimmert immer wieder durch, doch drängt sich uns nicht unbedingt auf. So verrinnt diese Geschichte wie die Zeit und hinterlässt nichts.
Kerana Angelova: Elada Pinjo und die Zeit, übersetzt von Viktoria Dimitrova Popova, Ink Press, 264 Seiten
Fund im Buchladen
Auch beim nächsten Buch gibt es eine Geschichte zum Einband: Ich bin absolut kein Fan von naiver Illustration; von kindlichen Strichzeichnungen, die eben durch ihre Kindlichkeit ihren Ausdruck gewinnen. In genau dieser Weise ist das Cover der englichen Originalausgaben von Emma Glass’ “Peach” gestaltet, während die deutsche Erstausgabe mit einer weichen Zeichnung von einem aufgeschnittenen Pfirsich illustriert ist. Bei einem ersten Treffen waren Lara und ich uns einig, dass dieses Cover sehr viel hübscher sei. Doch als wir uns nach der Lektüre wieder trafen, mussten wir feststellen, dass Original viel treffender ist.
Glass erzählt in ihrem Debüt, wie das Mädchen Peach nach einer Vergewaltigung versucht weiterzuleben. Doch “Peach” ist kein Drama, sondern ein Schauermärchen. Die Charaktereigenschaften der Menschen um Peach werden nach außen gekehrt und verwandeln die Figuren und seltsame Gestalten: Der Lehrer wird zum Pudding, der feste Freund ein Baum, der beste Freund eine Sandfigur. Die Geschichte erinnert an Carrolls “Alice im Wunderland”, nur dass es hier tragischer und grausamer ist.
Die Autorin findet eine eigene, lyrische und verdichtete Sprache, die Sabine Kray wunderbar ins Deutsche überführt hat und schafft es so, dieser Erfahrung einen literarischen Raum zu geben. Doch vielleicht verliert sich “Peach” zu sehr in seine Bilder und seiner Sprache. Die Handlung fließt so unvermeidbar auf eine Tragödie hin, dass vor allem Lara Stärke vermisst.
Emma Glass: Peach, übersetzt von Sabine Kray, Nautilus, 125 Seiten
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