Drama im Kopf

Seit gestern präsentieren junge Schreibschüler ihre dramatischen Versuche. Das Schauspiel Leipzig hat für sein Festival ‘4+1‘ jeweils vier Studenten von sechs deutschsprachigen Schreibschulen eingeladen (wer oder was hier +1 ist soll natürlich unklar bleiben). Hier lesen Schauspieler erste Theatertexte der jungen Schriftsteller. Gestern gab es die ersten zwei Leserunden. Ich wollte die hier eigentlich schon erzählen, aber es wirbelt noch in meinem Kopf herum alle zu verstehen. Also erstmal ein Kurzdurchlauf:

Zuerst waren die Studierenden des Fachs “Szenisches Schreiben” von der UdK Berlin dran, die vor allem durch gute Dialoge glänzten. Und darum ging es in den Stücken:

  1. Einsame Figuren, die keinen Kontakt zu einander finden und permanent den Tod um sich haben.
  2. Zwei Alte Frauen in absurden, aber realistischen Szenen und die Frage: Was bleibt am Ende des Lebens übrig?
  3. Eine Diskussion um die Linie und die ganz normale Beziehungstreit-/Liebesdreieckgeschichte. Schöne Dialoge, teilweise aber noch etwas viel Prosa. (das hat sich inzwischen wohl schon erledigt, sagt der Autor)
  4. Eine verrückte, weil übertriebene Westerngeschichte. In Carson City bezichtigen sich alle der Lüge und am Ende gibt es einen großen Drogenrausch. Teilweise etwas gewollt in der Lesung, aber irgendwie herrlich bescheuert.

Nach einer kurzen Pause enterten die Schweizer Texte die Bühne: Die Studierenden des Schweizer Literaturinstituts aus Biel. Die Texte hier zeichneten sich durch große Steigerungen aus, aber nicht immer durch dramatische Qualitäten. Das waren ihre Themen:

  1. Der klassische Erbstreit nach dem Tod der Mutter. Dieses immer relevantere Thema der Erbschaft und des Familienzerfalls sehr schön in Dialoge aufgelöst und ein wunderbares Ende.
  2. Drei ganz absurde Szenen, die sich ineinander auflösen. Immer kafkaesker wurde es, bis zu: zwei Eltern, die ihre Kinder verlassen, um im Wald Hasen zu jagen. Aber eigentlich ein Prosa-Text.
  3. Eine sehr lustige Szeneabfolge geprägt von der eigenen Familie von Psychologen. Es werden fünf Therapiesitzungen gezeigt, die komischer nicht sein könnten (wer therapierte hier eigentlich wen?)
  4. Und wieder am Ende des Lebens: Eine Frau sitzt am Fenster und sinniert über das Leben, das sie hatte und den Tod, den sie erwartet. Schön geschrieben, aber auch wenig Theater.

Viel meckern kann man nicht. Darf man auch nicht, denn die Autoren feilen noch an den Texten. Ich habe schon die ganze Zeit überlegt, was verbindet diese Texte eigentlich. Ich suche noch, aber ich vermute, es sind die großen Themen: Liebe und Tod. Vor allem ist es aber die Welt, die keinen festen Grund mehr hat.

Mein rechter Arm ist das einzige statische Ding im gesamten Kosmos. Alles dreht sich um irgendetwas herum, wechselt die Form oder den Geschmack, aber mein Arm tut was ich ihm sage oder andersherum. Ich bewege mich um meinen Arm.

– Mayor Kareem Deutschbeer in: “Fallobst im Westen” von Philipp Gärtner

Soweit die erste Eindruck, vielleicht gibt es später mehr über die Texte, aber jetzt gibt es erstmal mehr Texte zum Hören. Bereit für Runde 3 und 4?

Thilo
Latest posts by Thilo (see all)

Thilo

Hat sich von einer anfänglichen Faszination für Bücher, über erste Leseerfolge zum Bibliomanen entwickelt. Eigentlich hat der Kulturjournalist nur aus Langeweile gelesen, hier mal ein Buch im Zug, mal eines im Urlaub, mal ein bisschen vorm Einschlafen. Nach unausgegorenen Berufswünschen wie Koch, Hornist oder Schauspieler, verschlägt es ihn zum Studium der Theaterwissenschaft nach Leipzig und in die Redaktionsräume des Ausbildungsradios mephisto 97.6. Ganz beiläufig lässt er hier fallen, dass er eigentlich ganz gerne mal ein Buch lese. Schon einen Monat später leitet er – hopplahopp – die Literaturredaktion und Lesen wird zum Exzess (in den Tagen vor Buchmessen liest er gerne Nächte und Tage durch). Inzwischen spricht er hin und wieder bei MDR Kultur und dem Deutschlandfunk über Literatur, Theater, Musik, neue Medien und alles was die Leute (oder: ihn) interessiert. Sein Ziel: Der nächste Marcel Reich-Ranicki (und ein bisschen Gerhard Stadelmaier) werden – nur besser aussehend … und vielleicht etwas umgänglicher. So lange vergnügt er sich weiter auf schraeglesen.de

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert