Natürlich war es Zufall, das Beste passiert doch unverhofft und durch Zufall. (Denn ein geglückter Plan kann zwar Erfolgsgefühle verursachen, aber doch nie überraschen.) Dass ich irgendwann verrückt nach Büchern war, fast schon bibliophil, das ist einfach irgendwann passiert. In dieser Eigenschaft habe ich mich ganz unbedarft in eine große Buchhandlung begeben, ich durfte mir ein Buch auf ihre Kosten aussuchen. Also schlenderte ich durch die Romanabteilung, als mir plötzlich ein Buch unter “D” ins Auge fiel. Es war dicker und größer als die anderen – allein das reichte mir erstmal, um es in die Hand zu nehmen. Der Warnung: “… bleiben Sie nicht stehen, gehen Sie auch nicht langsamer, sondern gehen Sie einfach weiter. Da ist nichts. Seien Sie vorsichtig…” hat mich dann auch nicht abgeschreckt (wie beabsichtigt hat es eher meine Neugier geweckt). Und ich habe es einfach aufgeschlagen. Und ich war fasziniert – begeistert. Da wechselte sich “Courier New” mit “Times New Roman” ab, Anmerkungen und Pseudoliteraturverweise störten immer wieder den Lesefluß. Da waren Stellen geschwärzt, quasi ausgebrannt, der Text lier kreuz und quer über die Seiten, stand auf dem Kopf, fiel, wie durch Schächte. Vereinzelte Worte rannten über die Seiten, bildeten Treppen und Gänge. Es war Liebe auf den ersten Blick. Obwohl das Budget eigentlich nicht reichte, musste ich dieses Buch unbedingt gleich mitnehmen und ich habe es nicht bereut.
Die Sucht
Bald danach dachte ich mir, davon brauche ich mehr, genauso sollte Literatur sein, so intuitiv, experimentierfreudig, unbegrenzt. Also habe ich mich auf die Suche begeben nach mehr solcher Titel und wurde nach und nach fündig (vermutlich stieg auch gerade das Interesse an solchen Büchern). Dann kam das zweite Buch von Danielewski auf den deutschen Markt, ein Buch, das sich immer wieder drehen muss. Jonathan Safran Foer machte mit einem Buch auf sich aufmerksam, das er einfach, wie eine Skulptur, aus einem anderen Buch herausgeschnitten hatte. Bei meiner Suche stieß ich auf ein Video, das mir Tomasulas “Image Novel” anpries. Bei ihrer Recherche zu Videospielen stieß sie dann auf einen Vorläufer, die ergodische Literatur, beispielsweise Queneaus Gedichtband, der dem Leser erlaubt aus einzelnen Versen eigene Gedichte zu bauen.
Aber es reichte mir immer noch nicht und ich grub immer weiter und fand nach und nach mehr Titel. Doch mir fehlte eine Art Datenbank, eine Adresse, wo genau solche Bücher versammelt sind, wo sie eine Beziehung zu einander aufbauen und wo jeder Leser die Begeisterung für literarische und typographische Experimente vertiefen kann. Und wenn es sonst niemand macht, machen wir es eben selbst.
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