Montagsfrage: Es muss sich gut anfühlen

Seit einiger Zeit hat Buchfresserchen wieder eine Frage gestellt, bei der mir sofort eine Antwort im Kopf schwirrt. Denn es geht um Leseverhalten und eine Diskussion, die ich mehr oder weniger intensiv verfolge, seit sie nach Deutschland geschwappt ist: Liest du lieber digital oder analog.

Die Faszination des Neuen

Es war 2008, als ich zum ersten Mal von e-Book-Readern hörte und meine Augen begannen etwas zu funkeln. Es gab schon zahlreiche Seiten, auf denen ganz legal und letztlich in Unmengen Bücher zugänglich waren. Aber entweder musste ich sie voller Anstrengung am Computer lesen oder sie in grauenvoller Qualität ausdrucken (kaufen wäre da wohl billiger gewesen). Doch dann wurde mir versprochen, dass es ein handliches Gerät gäbe, dessen Bildqualität so gut, wie die von Buchseiten wäre, das lange Laufzeit hätte und – für mich kein unerhebliche Punkt – es würde jede Menge Platz für Bücher bieten.

Also habe ich mich bemüht, so schnell wie möglich so ein Gerät in die Hände zu bekommen und zwar eines – ich wollte mich ja nicht lumpen lassen, mit Touchscreen. Schließlich hatte ich es in den Händen und … es war okay.

Es war wirklich viel angenehmer, damit zu reisen, denn ich kann eine ganze Bibliothek mitnehmen. Weil mir die ganze Welt der gemeinfreier Bücher offensteht und viele Verlage mir für die Arbeit einige digitale Lesefahnen zur Verfügung gestellt hat, ist die auch recht umfangreich.

Trotzdem ist es nicht immer einfach mit diesem Gerät. So richtig zum Strand mitnehmen mag ich es nicht, im strahlenden Sonnenschein ist es manchmal echt schwer etwas gegen die Spiegelung zu erkennen, die Ladezeiten der Seiten können mal nerven (es ist wie gesagt ein frühes Exemplar) und der Akku muss eben doch auch geladen werden. Also es hat Vorteile, aber eben auch viele Schwächen.

Inzwischen benutze ich eher mein Tablet zum Lesen. Gelegentlich ist das auch ganz angenehm. Zum Beispiel kann ich das Buch nach Schlagworten untersuchen, die Schriftgröße anpassen und ganz selten habe ich auch einen besseren Lesefluss. Dennoch erscheint es mir wie ein spröder Ersatz. Als wolle man das Telefonat, einem echten, persönlichen Gespräch vorziehen.

Die Möglichkeiten der Zukunft

Irgendwie bleibt es nämlich am Ende doch ein Buch. Ungefähr zur gleichen Zeit kam eine Idee ins Spiel, die mich und meine schrägen Vorlieben (für Bücher, nur für Bücher) besonders in den Bann zog: Das Multimedia Buch.

Ich stellte es mir vor als ein Buch, dessen Seiten mit Musik unterlegt sind und Geräusche machen – abseits des Blätterraschelns. Wenn im Text Figuren von Bildern, Fotos oder Filmszenen sprachen, hätte man sie anklicken können, anstatt mühevoll im Internet alles rauszusuchen. Ungefähr so wie die Sonderausgaben von Büchern mit reicher Bebilderung. Es kann sogar die vollkommene Synthese von Literatur, bildender Kunst und Sound sein: Der innere Monolog als Text, der Telefondialog als Mini-Hörspiel, der Erinnerungsfetzen mit Musik und Geräuschen, ein Traum als verwackeltes Video und statt der Beschreibung eines Gesichts ein Foto.

Teilweise wird das natürlich gemacht, ich denke nur an Tomasulas Arbeiten “Vas” und “Toc“, sowie die zahlreichen Multimedia-Reportagen, die bei Journalisten so beliebt sind. Doch für mich bleibt das Gefühl, dass hier Technik hinter ihren Möglichkeiten zurückbleibt oder habe ich da (mal wieder) etwas verpasst? Denn der Multimedia-Roman (oder Buch) wäre das wahre digitale Buch.

Was gut ist wird bleiben

Trotz aller Liebäugeleien mit dem E-Book, trotz aller digitalen Eskapaden gehört meine Liebe am Ende des Tages doch dem Buch. Denn all diese digitalen Speichermedien werden vergehen. Und wenn sie alle vergangen sind, dann wird – vorrausgesetzt die Sonne ist noch nicht explodiert – die Gutenberg-Bibel immer noch sicher in eine verrotenem Schrank liegen wird. Denn es gibt kein besseres Speichermedium als das Buch, wie mir mal ein Uni-Bibliotheksdirektor gesagt.

Aber das ist für mit persönlich eigentlich nicht so wichtig. Warum auch sollte es mich interessieren, dass das Buch mich überleben wird? Ich habe ja nichts davon, außer ein cooles Erbe für meine Kinder zu hinterlassen. Darum geht es vielmehr darum ein Buch wirklich zu besitzen und das geht analog viel besser. Seien wir doch ehrlich: Können wir Kolonnen von Einsen und Nullen wirklich besitzen. Pure Fiktion, die sich diese Dataisten irgendwann einmal eingestehen müssen. Wirklich ist irgendwie nur, was ich fühlen kann.

Deswegen ist es auch der Moment des Fühlens, für den ich das Buch liebe. Das Gefühl eines schönen Umschlags, die Struktur des Papiers. Das Gefühl und das Geräusch, wenn ich die Seiten meinen Daumen entlanggleiten lassen. Der Blick auf die Seiten, die für Ewigkeiten da stehen könnte. Die ich in Sonnenschein lesen kann, ohne Steckdose, ohne Angst vor Sand. Selbst Regen und Wasser macht es nicht wirklich kaputt. Ich kann es viel besser, schneller und konzentrierter lesen, denn es ist nur ein Buch und nicht gleich eine Bibliothek. und wenn alles vergangen ist, Geschichten nichts mehr zählen, alle Energie verbraucht wurde, dann können Bücher uns immer noch wärmen.

Also ich finde es gut, dass ich auch digital lesen kann, doch ich sehne mich nur nach dem Buch auf Papier.

Thilo
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Thilo

Hat sich von einer anfänglichen Faszination für Bücher, über erste Leseerfolge zum Bibliomanen entwickelt. Eigentlich hat der Kulturjournalist nur aus Langeweile gelesen, hier mal ein Buch im Zug, mal eines im Urlaub, mal ein bisschen vorm Einschlafen. Nach unausgegorenen Berufswünschen wie Koch, Hornist oder Schauspieler, verschlägt es ihn zum Studium der Theaterwissenschaft nach Leipzig und in die Redaktionsräume des Ausbildungsradios mephisto 97.6. Ganz beiläufig lässt er hier fallen, dass er eigentlich ganz gerne mal ein Buch lese. Schon einen Monat später leitet er – hopplahopp – die Literaturredaktion und Lesen wird zum Exzess (in den Tagen vor Buchmessen liest er gerne Nächte und Tage durch). Inzwischen spricht er hin und wieder bei MDR Kultur und dem Deutschlandfunk über Literatur, Theater, Musik, neue Medien und alles was die Leute (oder: ihn) interessiert. Sein Ziel: Der nächste Marcel Reich-Ranicki (und ein bisschen Gerhard Stadelmaier) werden – nur besser aussehend … und vielleicht etwas umgänglicher. So lange vergnügt er sich weiter auf schraeglesen.de

3 Kommentare:

  1. Hallo Thilo,

    ein schöner Beitrag. Ich kann mich dir in vielen Punkten wirklich anschließen. Aber den eReader mit an den Strand zu nehmen ist kein Problem mehr (weder Akku noch Spiegelung), dass hat sich mittlerweile sehr weiterentwickelt. ^^ Trotzdem ist ein Buch etwas, dass man einfach haben muss. Und ja, das geht nur, wenn es aus Papier und Tinte besteht.

    Liebe Grüße
    Ella

    • Vielen Dank für den lieben Kommentar.
      Mein eReader ist eben schon alt (verhältnismäßig) und weil ich das gedruckte Buch doch mehr liebe, spare ich mein Geld lieber für die Papierschmöker, aber auch die kann ich nicht immer an den Strand nehmen.

  2. Pingback:Montagsfrage: Hauptsache die Geschichte ist gut | schraeglesen

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