Montagsfrage: Ein ganz anderes Erzählen

Die Antwort auf diese Montagsfrage kann für mich nur ein lautes und begeistertes „JA!“ sein: Liest du nur Romane, oder auch Comics ? Damit ist die Frage ja eigentlich schon komplett beantwortet. Aber dieser Euphorie muss natürlich eine Erklärung folgen und vielleicht ein paar Titel – und ob da nicht noch mehr folgen muss…

ComicsDie ersten Schritte mit den Comics

Ziemlich bald nach dem ich das Lesen gelernt hatte, habe ich auch begonnen, Comics zu entdecken. Insofern im wahrsten Sinne ‘Comics’, dass ich mich noch nicht den Superhelden hingegeben habe, sondern den komischen Geschichten um Mickey, Donald & Co. Sicher kann man diesen Werken wirklich vorwerfen, für Kinder zu sein, was ja prinzipiell nichts Schlechtes sein muss. Aber auch darüber hinaus sind es teilweise wirklich gute Geschichten gewesen – die sich sogar sehr dezidiert mit der hohen Literaturgeschichte auseinander gesetzt haben.

Mit meinem besten Freund erinnere ich mich noch bis heute an großartige Momente und er liest die alten Geschichten  noch heute, um sich aufzuheitern. Dennoch habe ich irgendwann mein Abo der lustigen Taschenbücher gekündigt, weil ich gemerkt habe, dass hier keine Geschichten mehr für mich geschrieben werden. Aber bis heute zehre ich von den Erfahrungen, die ich hier gesammelt habe. Immerhin habe ich ein Panel, das ich noch von früher kannte in einem wissenschaftlichen Band wiedergefunden, den ich für meine Masterarbeit genutzt habe.

Was macht Comics so besonders

Comics und Graphic Novels stellen eine ganz eigene Kunstform dar, deren Wurzeln man leicht bis in die Vorzeit ziehen könnte. Wenn wir die Höhenmalereien der Steinzeit als Ausgangspunkt nennen, könnten wir behaupten, dass die Entstehung eng verknüpft ist mit den ersten Erzählungen der Menschen überhaupt. So haben sich im Laufe von Jahrhunderten und Jahrtausenden zahlreiche Erzähltechniken entwickelt. An dieser Stelle seien aber nur Besonderheiten genannt, die ich für erwähnenswert erachte:

  1. Der Zugang zu Comic ist intuitiv: Deswegen lesen sie Kinder so gerne. Das Bild erzählt die Geschichte und der Text ist nur ein Teil davon. Die Peanuts würden als rein sprachlicher Witz doch niemals funktionieren. Oder würdet ihr lachen, wenn ihr einen puren Buchstabentext darüber lesen würdet, wie Lucy Charlie Brown den Football wegzieht – schon wieder.
  2. Gute Geschichten vertragen keine mittelmäßigen Wortakkrobaten: Eigentlich bin ich ja auch gerne für Action und Abenteuer zu haben, Sci-Fi und Fantasy. Doch oft hapert es einfach an Menschen, die diese Geschichten erzählen können. Weil die Aktionen zugegebenermaßen auch nach platten und klischeebehafteten Beschreibungen schreien. Doch Comics kommen da drum herum – weil sie das eben einfach den Bildern überlassen können.
  3. Bildgeschichten können so beiläufig sein: Ich erinnere mich, wie ich früher Geschichten gelesen habe und mir im Hintergrund herrlich absurde Details aufgefallen sind. Die Haupthandlung geht unbeteiligt weiter, aber im Hintergrund jagt ein Mensch seinen Hund, weil der seine Hose geklaut hat. Ein Buchstabentext kennt nur eine Ebene der Erzählung – alles andere ist imaginiert.
  4. Die Bilder können die Geschichte überhöhen: Bilder können nicht nur im Hintergrund der Geschichte eine neue Ebene hinzufügen. Das stärkste Beispiel dafür dürfte vermutlich der Graphic Novel “Maus” sein. Ein Buchstabentext könnte diese Hierarchien niemals so intuitiv darstellen wie dieses Buch durch die Tierallegorien. Sicherlich darf man hinterfragen, wie rassistisch es ist Polen als Schweine darzustellen. Aber Juden als Mäuse zu zeichnen, um damit auf die Rhetorik der Nazis zu verweisen und gleichzeitig die sozialen Dynamiken klar zu machen, eröffnet so viele Sichtweisen auf diese Geschichte – einfach ein Highlight.

Erinnerungswürdige Comics

Da gibt es so einige und ich bin mir nicht sicher, ob ich hier nicht einen vergesse, aber versuchen wird es:

Lieblingscomic

Dave McKean hat meinen Batman-Comic signiert

Eigentlich alles von Dave McKean, weil er einfach ganz großartige Bilder entwickelt. Er gehört zu meinen absoluten Favoriten unter den Comic-Künstlern. Sein jüngstes Werk “Black Dog” ist hier besonders stark, weil er geschickt Bildwelten des Künstlers Paul Nash zitiert, um dessen Leben es hier geht. McKean vermischt das Historisch-Realistische mit dem Traumhaft-Symbolischem und schafft es über seine Bilder Stimmung zu erzeugen, die den fast schon poetischen Text erweitern.

“Maus” von Art Spiegelman habe ich ja bereits erwähnt. Dieser Titel ist einfach eine großartige Auseinandersetzung mit dem Holocaust.

Die Geschichten von Alan Moore, wie “V wie Vendetta” oder “Watchmen”, weil sie einfach stark sind.

Wie jeder Comic-Fan vermutlich: Die Serie “Sandman” von Neil Gaiman. Das liegt aber mehr an dem Autoren, der so geschickt Mythen in Popkultur verwandeln kann.

Außerdem bin ich ein großer Fan der DC-Welt und möchte hier aber eher auf die Ausreißer hinweisen: wie “Return of the Dark Knigt” oder “Red Son”, weil sie die Stories ihrer Superhelden so geschickt verarbeiten.

Da kommt noch mehr zu Comics?

Was mich vor allem an der Comic-Welt fasziniert ist ihr ureigenes Genre: Die Superhelden, die zwar nicht aus den Comics stammen, aber irgendwie ist der Superheld das Genre der Comics. Mich fasziniert der große, um nicht zu sagen überdimensionierte Bogen mit dem Comicreihen hier komplexe Story-Konstrukte entwerfen, die uns heute immer wieder als Projektionsflächen dienen. Um diese Erzählfäden zu entwirren wollen wir uns demnächst in einem neuen Themenspezial kümmern. Also bleibt gespannt… to be continued.

Thilo
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Thilo

Hat sich von einer anfänglichen Faszination für Bücher, über erste Leseerfolge zum Bibliomanen entwickelt. Eigentlich hat der Kulturjournalist nur aus Langeweile gelesen, hier mal ein Buch im Zug, mal eines im Urlaub, mal ein bisschen vorm Einschlafen. Nach unausgegorenen Berufswünschen wie Koch, Hornist oder Schauspieler, verschlägt es ihn zum Studium der Theaterwissenschaft nach Leipzig und in die Redaktionsräume des Ausbildungsradios mephisto 97.6. Ganz beiläufig lässt er hier fallen, dass er eigentlich ganz gerne mal ein Buch lese. Schon einen Monat später leitet er – hopplahopp – die Literaturredaktion und Lesen wird zum Exzess (in den Tagen vor Buchmessen liest er gerne Nächte und Tage durch). Inzwischen spricht er hin und wieder bei MDR Kultur und dem Deutschlandfunk über Literatur, Theater, Musik, neue Medien und alles was die Leute (oder: ihn) interessiert. Sein Ziel: Der nächste Marcel Reich-Ranicki (und ein bisschen Gerhard Stadelmaier) werden – nur besser aussehend … und vielleicht etwas umgänglicher. So lange vergnügt er sich weiter auf schraeglesen.de

Ein Kommentar:

  1. Pingback:Warum ich keine Comics lese: Argumente gegen Mangas und Graphic Novels. [Montagsfrage, deutsche Buchblogs] | stefan mesch

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