Kindheitserinnerung: Child of Light

„Es war einmal vor langer Zeit…“ – sechs allzu bekannte Worte aus Kindheitstagen. Doch wo üblicherweise die Prinzessin auf ihren Prinzen wartet, macht sich in „Child of Light“ eine kleine Prinzessin einfach selbst auf den Weg und rettet dabei gleich noch eine ganze Welt.

Kind, geh nun zu Bett.
Ich will dir eine Geschichte erzählen.
Von Lemuria, einem längst vergangenen Reich,
Und einer Maid, die den Ruhm musste wählen.

Child of Light

Diese Maid ist Aurora, Protagonistin des Spiels und einzige Tochter des Herrschers von „Austria“. Das „Es war einmal“ setzt dagegen 1895 zur Osterzeit an: Nach dem Tod von Auroras Mutter hat der Herzog seine Tochter lange Zeit allein erziehen müssen. Glücklich bis an ihr Lebensende hätten die beiden im Schloss gewohnt – wenn nicht wie in jedem Märchen eine Stiefmutter dem Glück ein jähes Ende bereitet hätte. So findet auch der Herzog eine neue Frau. Und noch in der Nacht der Hochzeit fällt Aurora in einen tiefen todbringenden Schlaf…

In der Nacht fiel Aurora in den Schlaf,
Der Kamin brannte nicht mehr heiß.
Ein Schauder breitete sich aus,
Ihr Körper war so kalt wie Eis.

Child of Light

Kein Prinz in Sicht

In „Dornröschen“ endet an dieser Stelle die Aufgabe der Prinzessin, die nun schlafend nur noch den Kuss des Prinzen erwartet. Auroras Mission ist dagegen noch lange nicht erfüllt, sondern fängt hier erst an: Sie findet sich in der mysteriösen Welt Lemuria wieder, wo sie auf ihren treuen Begleiter, das Glühwürmchen „Igniculus“ trifft.

Auf der Suche nach einem Weg aus dieser Welt wird Aurora schon bald mit einer weitaus wichtigeren Aufgabe vertraut: Sie erfährt, dass einst die Königin des Lichts über Lemuria herrschte. Die verschwand jedoch plötzlich und übergab ihr Zepter somit automatisch der Königin der Nacht und ihren beiden Töchtern. Von einem Tag zum anderen stahl die böse Königin Sonne und Mond und tauchte das märchenhafte Land in Dunkelheit. Und so begab sich Aurora nun selbst auf die Suche nach den Himmelskörpern, um Lemuria das Licht zurückzubringen und zurück in ihre Heimat zu finden…

Side-Scroller meets RPG

Nicht nur die vielen Märchenbezüge kommen in „Child of Light“ außerordentlich vertraut vor, auch spielerisch nutzt das RPG viele bekannte Elemente: Als eine Kombination aus einem klassischen 2D-Side-Scroller und Rollenspiel reist Aurora durch die Welt und muss dabei – wie es sich für ein Jump ’n‘ Run-Spiel gehört – verschiedene Ebenen und Hindernisse überwinden. Im Gegensatz zu den meisten anderen Jump ’n‘ Run Titeln, die dem Spieler vor allem jede Menge Geschicklichkeit und Timing abverlangen, erfordert „Child of Light“ nicht sonderlich viel Fingerspitzengefühl: So erhält Aurora recht bald Flügel, mit denen sie nicht einmal über Abgründe springen muss, sondern ganz einfach elegant darüber hinweg schweben kann.

Gegner werden ebenfalls nicht einfach plump mit Gegenständen beworfen oder wie etwa bei Super Mario „plattgesprungen“. Trifft Aurora auf ein Monster, wechselt „Child of Light“ die Ansicht zu einem rundenbasierten Kampfsystem, wie es auch in vielen klassischen Rollenspielen wie etwa den frühen „Final Fantasy“-Teilen zum Einsatz kam. Der Spieler wählt also in jeder Kampfrunde aus den verschiedenen Fähigkeiten, die Aurora und ihre Begleiter nacheinander gegen ihre Gegner anwenden sollen. Zusätzlich kann Igniculus frei über den Bildschirm bewegt werden, um sogenannte „Occuli“ einzusammeln und seine Begleiter so zu heilen.

Wie aus einem Bilderbuch

I was really inspired by the artists of the golden age of illustration: Arthur Rackham, Edmund Dulac, John Bauer and Kay Nielsen. They mostly illustrated children books, especially fairy tales and their artwork is really amazing.

So while I built up a bank of images that I liked I came to realise that most fairy tales are about growing up; the passage from childhood to adulthood and that the gameplay of RPGs is also about growing up, from weak to strong. It gave me a hook to build the game around.

Patrick Plourde (Leitender Entwickler)

Visuell wirkt „Child of Light“ ebenfalls direkt wie aus der Illustration eines Märchenbuchs entsprungen – was zum einen daran liegt, dass sich „Child of Light“ tatsächlich an klassischen Kinder- und Märchenbuchillustratoren wie Arthur Rackham, Edmund Dulac, John Bauer und Kay Nielsen orientiert. Zum anderen wurde „Child of Light“ u.a. auch durch Yoshitaka Amano inspiriert; Charakter- und Logo-Designer der „Final Fantasy“-Reihe, den ich vor allem für seine traumhaften Konzeptzeichnungen bewundere.

Kaufgeständnis: Ursprünglich hatte ich mir „Child of Light“ nur aufgrund der Special Edition gekauft. Die enthielt nämlich u.a. eine Konzeptzeichnung von Yoshitaka Amano im Posterformat, der ich einfach nicht widerstehen konnte. Ich hatte zu dem Zeitpunkt weder eine Ahnung von der Handlung, noch von dem Gameplay oder worum es sonst überhaupt in dem RPG ging. Da ist das Marketing bei mir wohl angeschlagen.

Neben den zarten Illustrationen und dem klavierlastigen Soundtrack der kanadischen Singer-Songwriterin Cœur de Pirate wirkt die Sprache der Figuren dagegen schon beinahe plump. Nach dem Motto „Reim dich oder ich fress dich“ werden nämlich nicht nur die Erzählung, sondern auch sämtliche Gespräche zwischen den Figuren in einem undefinierbaren Wechsel zwischen Paarreim und Kreuzreim verfasst. An dieser Stelle kann ich zwar nur für die deutsche Sprachausgabe sprechen, zumindest hier klingt der ständige Drang zum Reimen aber mehr als gezwungen.

Und sie lebten glücklich… ?

“Child of Light” ist ein märchenhaftes Spiel um die Reise einer kleinen Prinzessin, das zwar keine wirklichen Neuerungen einführt (der Kampf und Dunkelheit und Licht ist ein alter Hut) – diese Elemente aber gerade durch die visuelle und musikalische Gestaltung in einer Hommage an die alten Klassiker wunderschön in Szene setzt. Beinahe perfekt,
hätte der Reim nicht den Kummer geweckt.

Denn entgegen Pumuckls Behauptung ist nicht immer alles was sich reimt gut.

Child of Light
Genre: Rollenspiel, Plattformer
Entwickler: Ubisoft Montreal
Publisher: Ubisoft
Release: 30. April 2014
Plattformen: Microsoft Windows, PS 3, PS4,
PS Vita,WiiU, Xbox 360, Xbox One

Kleiner Tipp für die Weihnachtspanik: Abgesehen von der PS Vita Version ist “Child of Light” ein reiner Download-Titel. Falls euch also immer noch ein Geschenk fehlt – einfach online kaufen, Code ausdrucken, ein kleines Kärtchen dazu basteln und voilá!

Caecilia
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Caecilia

Ehemaliger(?) "Final Fantasy"-Freak. Hat durch die Liebe für das Japanische Rollenspiel zum Videospiel gefunden. Nachdem der Traum vom Leben im Land der aufgehenden Sonne schon am Sushi-Hass zerplatzte, fand die Musik- und Theaterwissenschaftlerin mit den Game Studies einen passenden Ersatz; ging ihren Dozenten deswegen permanent mit Hausarbeiten zu Videospielmusik, Avatartheorien oder Bewegungssteuerungskonzepten auf den Leim; versuchte sich nebenher als Redakteurin beim RETRO-Magazin oder stockte ihre Spielesammlung mit Aushilfsjobs bei GameStop auf. Ihr großer Traum: Mit einer Professur das eigene Hobby durch die Uni finanzieren zu lassen. Bis dahin tobt sich eben auf schraeglesen aus und bezahlt die Spiele vorerst aus eigener Tasche. Wegen ihrer Vorliebe für Indie Games hält sich der finanzielle Aufwand dabei zum Glück in Grenzen.

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