Für die fünfte Episode haben wir es uns sehr einfach gemacht – zumindest was die Auswahl angeht. Denn die Zeit war zu knapp für lange Recherchen und die Kataloge waren auch nicht so überzeugend. Deswegen haben wir uns auf den Geschmack der Buchmesse-Preisjury verlassen.
Nachdem Lara die vergangenen Monate auf der Insel festgesteckt hat, haben wir uns auf der Leipziger Buchmesse tatsächlich mal wir richtig getroffen – und körperlich im gleichen Raum und mit den Lungen dieselbe Luft atmend. Gemeinsam sind wir über die Verlagsstände geschlendert und haben nach Titel für die nächsten Podcast-Folgen gesucht. Leider hat sich mein Eindruck, den ich beim Blättern durch die Kataloge hatte, nicht wirklich geändert und wir haben nicht viel Spannendes gefunden. Also haben wir es uns kurzerhand einfach gemacht und darauf geeinigt die beiden Sieger des Preises der Leipziger Buchmesse geeinigt. (Die Sachbücher haben wir dafür allerdings ausgenommen – der historische Kommunismus hat uns im Moment nicht genug interessiert)
Preisträgerin Belletristik: Eine Italienreise
Zu meinem Bedauern hat meine Zeit vor der Messe nicht gereicht, um mich wie die vergangenen Jahre mit der Nominierten-Liste auseinander zu setzen. (Eigentlich stand mir vielmehr mein Zeit-Management im Wege, aber das muss ich ja nicht so laut sagen.) Deswegen bleiben Einordnungen dazu, ob der Preis verdient war oder nicht, eher außen vor.
Aber auch ohne Nominierung habe ich mich für “Hain” von Esther Kinsky interessiert. Vor allem der Untertitel “Ein Geländeroman” hat mich angezogen. Was sollte das bedeuten, und was macht das mit dem Text? Darüber haben wir natürlich auch vor dem Mikro diskutiert. Was wir nicht gestreift haben, ist vielleicht die Frage, ob dieses Buch wie eine Gelände erkundet werden kann. Das ist zumindest bedingt möglich.
Doch das Thema Landschaft schien mir in dem Gedichtband “Am Hang” spannender gelöst: Auch berichtet Kinsky aus einem winterlichen Italien. In einzelnen Gedichten erzählt sie verschiedene Situationen, während ein Band us Tect die Landschaft in anspielungsreichen Bildern erzählen. Aber was all ihre Texte gemein haben (und hier stimmen wir wohl mit allen überein) ist die hohe Genauigkeit der Sprache. Was genau den Reiz ausmacht, lasst ihr euch lieber von Lara erzählen.
Esther Kinsky: Hain. Ein Geländeroman, Suhrkamp, 280 Seiten
Preisträger Übersetzung: Weg durch den Krieg
Während ich schon Einiges von Kinsky zumindest angelesen hatte, habe ich mich noch nie zuvor mit dem ukrainischen Schriftsteller Serhij Zhadan auseinander gesetzt. Eine große Nachlässigkeit, wie mir scheint. Denn Zhadan erzählt in “Internat” eine wichtige Geschichte in einer Sprache, die zumindest mich sehr in ihren Bann gezogen hat.
Insofern haben die beiden Übersetzer Sabine Stöhr und Juri Durkot den Preis bestimmt zu recht erhalten. Allerdings ist das Feld in diesem Falle auch immer sehr viel enger, Natürlich ist es nicht so, dass Übersetzen keine Kunst wäre, immerhin gibt es ja auch sehr schwache Leistungen. Aber das Handwerk, das hier beurteilt wird, orientiert sich doch mehr an objektiven Maßstäben und etwas weniger an Kunstfertigkeit.
Den perfekten Roman zu schreiben, ist unmöglich, einen Text adäquat in eine andere Sprache zu übertragen in der Regel schon. Natürlich könnte man jetzt sagen, dass Ein Roman als solcher je nach Geschmack auch unterschiedlich bewertet werden kann, während eine Übersetzung eben an bestimmten Punkten ausgemessen werden. Aber wer hier nominiert wird, bekommt meist doch die Höchstpunktzahl und sind deswegen untereinander noch mehr auf Augenhöhe.
Schwurbelige Gedanken zum Übersetzerpreis
Was ich hier etwas schwurbelig versuche auszudrücken: Ich habe den Eindruck, dass hier Politik eine noch größere Rolle spielt als bei den anderen Kategorien. So ist die Popularität des Werkes von großer Bedeutung. Joshua Cohen hätte diese Voraussetzung vielleicht auch erfüllt, aber Robin Detje hat den Preis eben schon einmal erhalten.
Auch die Grundherausforderung des Originals ist wichtig. Hier hat meiner Meinung nach Michael Walther vielleicht sogar die größere Schwierigkeit bewältigt. Aber zum einen hat er für seine Übersetzungen von Laurence Sternes Gesamtwerk schon genug Ehrung erhalten. Zum anderen geht es auch um die Botschaft: Die Ehrung der harten Arbeit von Übersetzern kleinerer Sprachen und die politische Wichtigkeit des Buches.
Lange Rede kurzer Sinn: Ich weiß nicht, ob es die beste Übersetzung des Jahres ist, weil ich nicht glaube, dass da eine besser ist, als die andere. Aber das Buch hat auf jeden Fall einen Preis verdient. Denn es erzählt eine Geschichte, die jenseits aller Grenzen wichtig ist.
Serhij Zhadan: Internat, Suhrkamp, 300 Seiten
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