Verzweifelte Gedanken einer Wagner-Hasserin

Eigentlich müsste an dieser Stelle bereits mein “Journey”-Beitrag stehen. Tut er aber nicht, weil ich mich stattdessen immer noch durch Wagners theoretische Schriften quäle und offensichtlich lieber jammere als anständig arbeite. Mir jetzt aber auch egal. Irgendwie muss das jetzt mal raus: Ich hasse Wagner.

Das ist Thilos Kram – nicht meiner! (Musste mich zusammenreißen keinen Hitler-Bart drauf zu malen. Das wäre ja… kindisch gewesen.)

Wie jetzt spätestens mit dem Titel sicherlich auch die Letzten mitbekommen haben dürften, bin ich kein sonderlich großer Wagner-Fan. Im Gegenteil: Wenn ich sagen würde, dass uns beide ein Hass-Liebe verbindet, so wäre das wahrscheinlich noch viel zu positiv ausgedrückt. Die drei Jahre Studium in der Wagner-Hochburg Bayreuth haben da sicherlich ihren Beitrag dazu geleistet. Drei Jahre Wagner-Dauerbeschallung – ganz besonders zur Festspielzeit im Sommer -, drei Jahre Wagner-Opern hoch und runter analysieren, “Ist das jetzt wirklich ein Leit-, oder doch ein Erinnerungsmotiv?”-Debatten führen; bis sich dann irgendwann der letzte Funken Gleichgültigkeit in Hass verwandelt hat. Wagner war ein alter Antisemit, ein arrogantes Arschloch – und noch mehr als Wagner Juden gehasst hat, hasse ich wahrscheinlich ihn.
 

Warum tue ich mir das also an? Warum muss ich mir unbedingt Wagners Texte als theoretische Grundlage meiner “Journey”-Untersuchung nehmen, wenn ich am Ende doch nur hier lande und allen die Ohren volljammere?
 

Ehrlich gesagt, weiß ich das größtenteils selber nicht. Der Einfall kam mir einfach spontan bei der ersten Analyse von “Journey” und vor einer Woche erschien mir die Idee eigentlich noch recht passend. Wahrscheinlich ist sie selbst jetzt noch gar nicht sooo dumm: Denn egal wie abgeneigt ich Wagners arroganten und menschenverachtenden Persönlichkeit aber auch bin, egal wie sehr mich seine übertrieben langatmigen Opern langweilen und egal wie ungern ich dem selbsternannten Heiland der Opernwelt diesen Status auch noch zugestehen möchte – es lässt sich nunmal leider nicht abstreiten, dass sein Schaffen die gesamte Musik- und Theaterwelt (und darüber hinaus) entscheidend beeinflusst hat. 

Garstig glatter glitschiger Glimmer! Wie gleit’ ich aus! Mit Händen und Füssen nicht fasse noch halt’ ich das schlecke Geschlüpfer!

Alberich in “Das Rheingold”

Ohne Wagner würden wir wohl noch heute im hell erleuchteten Zuschauerraum sitzen, während vor uns Opernsänger mit ihren Arien um die Aufmerksamkeit des Publikums buhlen müssten. Ohne Wagners Festspielgedanken würde es vielleicht keine Festivals geben. Ohne Wagners Opus Magnum “Der Ring des Nibelungen” würde Filmmusik wahrscheinlich nicht einmal in der Form existieren, wie wir sie heute kennen. (Und das eben nicht nur, weil “Apokalypse Now” dann seinen berühmten “Ritt der Walküren” nicht bekommen hätte.) Vielleicht hätte es sogar “Journey” so gar nicht gegeben.

Vielleicht aber eben doch. Vielleicht wäre aber auch einfach irgendjemand anders gekommen und hätte die Musikwelt auf seine – möglicherweise etwas weniger drastische, dafür nettere – Weise revolutioniert. Aber nur vielleicht. 
 
 


 

Nun sind die Dinge aber nun mal so gekommen wie sie sind. Wagner hat die Oper revolutioniert und ich habe mich dazu entschieden “Journey” mit eben diesen Gedanken zu analysieren. Und da ich aus lauter Trotz nun auch nicht aufgeben will, bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als weiter in den sauren Apfel zu beißen und mich nach dem ganzen Gejammer wieder an die Arbeit zu machen. Diese Woche muss ich noch durchhalten, dann kann ich Wagner wieder getrost aus dem Weg gehen – oder zumindest soweit es eben möglich ist, wenn zuhause ein halber Wagnerianer sitzt und seine Wand mit “Rheingold”-Postern zukleistert. 

In der Zwischenzeit gibt’s noch paar von Wagners dichterische Ergüsse aus “Der Ring des Nibelungen”. Behalten wir dabei im Hinterkopf: Diese Zeilen stammen vom selben Mann, der von sich behauptete der “Retter der deutschen Kunst” zu sein.

Friedmund darf ich nicht heissen; Frohwalt möcht’ ich wohl sein: doch Wehwalt musst ich mich nennen.

Siegmund in “Die Walküre”

Braten briet ich mir selbst: deinen Sudel sauf allein!

Siegfried in “Siegfried”

Bruder-brünstig mutig gemischt, blüh’ im Trank unser Blut.

Gunther in “Götterdämmerung”
Caecilia
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Caecilia

Ehemaliger(?) "Final Fantasy"-Freak. Hat durch die Liebe für das Japanische Rollenspiel zum Videospiel gefunden. Nachdem der Traum vom Leben im Land der aufgehenden Sonne schon am Sushi-Hass zerplatzte, fand die Musik- und Theaterwissenschaftlerin mit den Game Studies einen passenden Ersatz; ging ihren Dozenten deswegen permanent mit Hausarbeiten zu Videospielmusik, Avatartheorien oder Bewegungssteuerungskonzepten auf den Leim; versuchte sich nebenher als Redakteurin beim RETRO-Magazin oder stockte ihre Spielesammlung mit Aushilfsjobs bei GameStop auf. Ihr großer Traum: Mit einer Professur das eigene Hobby durch die Uni finanzieren zu lassen. Bis dahin tobt sich eben auf schraeglesen aus und bezahlt die Spiele vorerst aus eigener Tasche. Wegen ihrer Vorliebe für Indie Games hält sich der finanzielle Aufwand dabei zum Glück in Grenzen.

Ein Kommentar:

  1. Pingback:Journey: Musikalisches Untersuchungsprotokoll | schraeglesen

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